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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht mitnehmen könne? Er wolle nach München. Das könne er, hatte er gesagt. Und: »Aber ich rate Ihnen dringend ab, mit mir zu fahren …«
    Der Junge hatte ihn angesehen – und war dann unwillkürlich einen Schritt zurückgetreten.
    Vielleicht hat er den Mörder erkannt, dachte Reissner, als er den BMW zurück nach München lenkte. Vielleicht sieht man es dir an?
    Im Wagen glitt sein Blick immer wieder zur Uhr. Hanne würde noch lange wachbleiben. Sicher bis Mitternacht. Aber dann nahm sie ihre Tabletten und ging schlafen.
    So lange stehst du das noch durch.
    Es war kurz nach ein Uhr, als im Scheinwerferlicht das Schild auftauchte: L ANDESHAUPTSTADT M ÜNCHEN . Reissner steuerte den BMW durch die stillen Straßen Harlachings. Weiße Mauern. Bäume. Bronzetore. Lichter hinter Zweigen. Dann die herabgelassenen Metalljalousien der Konditorei, die naß und matt schimmerten.
    Die Tauberstraße.
    Er fuhr den Wagen nicht in die Garage, sondern ließ ihn einfach stehen. Er schloß auch nicht ab. Wozu? Aber dann fragte er sich, ob es vielleicht nicht besser wäre, einige von Hannes Beruhigungstabletten zu schlucken, die stets im Handschuhfach lagen. Doch wozu? Er hatte nicht länger Angst. Sein Gehirn hatte die letzten Zweifel besiegt. Und die Analyse war schließlich einfach genug gewesen …
    Er blickte an den beiden alten Kastanien hoch, die zu Beginn der Tauberstraße aus einem Rondell hoch wuchsen: Nichts hat Dauer, Fortbestand gibt es nicht … Was uns diese Erkenntnis schwermacht, ist allein die Ungewißheit des Endes. Es ist nicht kalkulierbar, es verbirgt sich. Es kann schlimm, es kann furchtbar sein. Hanne würde das Warten nie durchstehen, er kannte sie gut genug. Und Elfi? – Elfi würde nicht einmal verstehen, was geschah.
    Die Schlußfolge? Es ist notwendig. Es ist Liebe – ja, es ist die einzige Form von Liebe, die zu geben ich noch imstande bin.
    Das wußte er jetzt.
    Das Haus lag im Dunkel. Er schloß die Gartenpforte auf und ging über die breite, plattenbelegte Auffahrt. Rechts glänzte im fahlen Dunst der hohe Zaun des Tennisplatzes. Auch den würde er nicht mehr brauchen, hatte ihn ja nie gebraucht. Er hörte seine Absätze auf dem Stein. Hier hätten es die Einbrecher leicht gehabt. Trotzdem: Ein Glück, daß du die Alarmanlage nicht hast einbauen lassen, weil Fahrenhold, dieser elende Geizhals von Hausbesitzer, die Kostenbeteiligung ablehnte. Wollte dir den ganzen Betrag auf die Miete draufpfeffern. Und die ist ja ohnehin absurd.
    Bankiers!
    Fahrenhold kann sich einen anderen Dummen suchen.
    Er war jetzt an der Haustür, aber überlegte sich auch das, ging um den Westflügel herum und nahm den kleineren der BKS-Schlüssel, um die Terrassentür zu öffnen. Das Wohnzimmer. Die Kanten der Möbel. Und der Mond, der sich jetzt endgültig hinter der Wolke hervorschob, die ihn bisher verdeckt hatte, und Möbel und Garten aufleuchten ließ. Selbst seinen eigenen Schatten konnte er erkennen. Fast wie im Film: Der Mörder kommt …
    Seine Hand ging zum Schalter. Doch wozu? Er brauchte kein Licht. Auch die Schwere in den Gliedern war gewichen, dieses Gefühl, daß jede Bewegung eine unüberwindliche Kraftanstrengung koste … Im Gegenteil: Er fühlte sich jetzt leicht – leicht und frei.
    Die Kommode stand am Ende des Korridors, der von dem Hauptraum zu den Bädern und zur Treppe in den ersten Stock führte. Es war eine wunderschöne Kommode. Kirschbaumfurniert. Ende achtzehntes Jahrhundert. Hannes Tante hatte sie ihr zur Hochzeit geschenkt. Und als sie damals die oberste Schublade aufschlossen, lag ein Brief darin. Reissner hatte den Text nie vergessen: »Mögest du noch lange einer glücklichen, von Erfolg und Gesundheit begleiteten Familie dienen.«
    Sehr vornehm. Vornehm wie die Tante. Und die Kommode diente noch. Die Messingleuchter darauf schimmerten gedämpft.
    Über der Kommode gab es ein kleines, kleeblattförmiges Fenster. Es führte in den Garten. Im Mondlicht sah er draußen das dunkle Rechteck des Pools. Und auf der Umrandung, winzig klein, Elfis Dreirad. Und dann sah er gar nichts mehr, denn Tränen schossen aus seinen Augen und spülten für Sekunden alles fort.
    Was Reissner nun tat, war nicht geplant und überdies unsinnig. Er tat es trotzdem. Er ging zur Tür zurück und hinaus in den Garten und wäre beinahe über den Rechen gestolpert, der im Gras lag. Hanne hatte wohl noch gearbeitet.
    Hanne …
    Er nahm Dreirad und Rechen, hob beides hoch und betrachtete die Gegenstände, als habe er
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