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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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erreichen. Einiges war ihm gelungen – doch niemand wußte besser als er, wie geringfügig es war.
    »Vater, es ist mein Schicksal.« Cleindoris junge Stimme zitterte. »Alles, was Callista gelitten hat, alles, was du gelitten hast, hat vielleicht dem Zweck gedient, daß ich zurückkehre und jene anderen befreie. Jetzt, wo du bewiesen hast, daß sie befreit werden können.«
    »Du hast recht«, gab Damon zu. Langsam sagte er: »Die Regeln von Arilinn werden nie umgestürzt werden, solange es nicht die Bewahrerin von Arilinn selbst tut. Aber – oh, Cleindori, nicht du!« Voller Qual und Verzweiflung riß er seine Tochter an sich. »Nicht du, Liebling!«
    Sanft befreite sie sich aus seiner Umarmung, und Damon hatte einen Augenblick lang den Eindruck, sie sei bereits groß, eindrucksvoll, hochmütig, von der fremdartigen Majestät einer Bewahrerin erfüllt, in die karminrote Robe von Arilinn gekleidet. Sie bat: »Vater, lieber Vater, du kannst mir das nicht verbieten; ich bin nur meinem eigenen Gewissen verantwortlich. Wie oft hast du zu uns allen gesagt – schon zu meinem Pflegevater Valdir, der nie müde wird, es mir zu wiederholen –, daß nur das Gewissen die Entscheidung treffen darf? Laß mich dies tun. Laß mich die Arbeit beenden, die du im Verbotenen Turm begonnen hast. Andernfalls wird alles, wenn du stirbst, mit dir sterben. Eine kleine Schar von Renegaten wird mit ihren Häresien unbeachtet verschwinden, und niemand wird ihnen nachweinen. Aber ich kann dein Werk nach Arilinn tragen und über alle Domänen verbreiten. Denn die Bewahrerin von Arilinn macht die Gesetze für alle Türme und alle Domänen. Vater, ich sage dir, es ist mein Schicksal. Ich muß nach Arilinn gehen.«
    Damon senkte den Kopf. Er war immer noch nicht einverstanden, aber er war nicht fähig, gegen ihre junge und unschuldige Sicherheit anzukämpfen. Ihm war, als schlossen sich die Mauern von Arilinn bereits um sie. Und so schieden sie, um sich bis zur Stunde ihres Todes nicht wiederzusehen.

Kapitel 1: Der Terraner
Vierzig Jahre später
     
    Es war so.
    Du warst eine Raumwaise. Soviel du wußtest, mochtest du auf einem der großen Schiffe geboren worden sein, den Schiffen von Terra, den Sternenschiffen, die in Geschäften des Imperiums die weiten Flüge zwischen den Sternen machten. Du erfuhrst nie, wo du geboren wurdest oder wer deine Eltern gewesen waren. Das erste Heim, das du kanntest, war das Raumfahrer-Waisenhaus, beinahe in Sichtweite des Hafens von Thendara gelegen. Dort lerntest du die Einsamkeit kennen. Davor hatte es irgendwo seltsame Farben und Lichter und verschwommene Bilder von Leuten und Orten gegeben, die im Dunkel verschwanden, wenn du versuchtest, die Erinnerung an sie heraufzubeschwören. Manchmal ließ dich ein Alptraum im Bett hochfahren und vor Entsetzen schreien, bis du ganz wach wurdest und den sauberen, ruhigen Schlafsaal um dich erkanntest.
    Die anderen Kinder waren das Treibgut der arroganten, ständig umherreisenden Rasse der Erde, und du warst eins von ihnen und trugst einen ihrer Namen. Aber draußen lag die dunkel-schöne Welt, die du in deinen Träumen gesehen hattest und manchmal noch sahst. Du wußtest irgendwie, daß du anders warst. Du gehörtest zu jener Welt draußen, zu jenem Himmel, jener Sonne, nicht zu der sauberen, weißen, sterilen Welt der Terranischen Handelsstadt.
    Du hättest es gewußt, auch wenn sie es dir nicht gesagt hätten, aber sie sagten es dir oft genug. Oh, nicht in Worten, sondern auf hundert kleine, versteckte Arten. Und auf jeden Fall warst du anders als sie, und den Unterschied konntest du bis in die Knochen hinein spüren. Und dann waren da die Träume.
    Aber die Träume verblaßten, erst zu Erinnerungen an Träume und dann zu Erinnerungen an die Erinnerungen. Du wußtest nur noch, daß du dich einmal an etwas anderes als das hier erinnert hattest.
    Du lerntest, keine Fragen nach deinen Eltern zu stellen, aber du hattest deine Vermutungen. Und sobald du alt genug warst, um den Andruck in einem Raumschiff zu ertragen, das mit Interstellar-Antrieb von einem Planeten abhob, stach man deinen Arm voller Nadeln und trug dich wie ein Gepäckstück an Bord eines der großen Schiffe.
    Er kommt nach Hause , hatten die anderen Jungen halb neidisch, halb ängstlich gesagt. Nur du hattest es besser gewußt; man schickte dich ins Exil. Und als du mit Übelkeit und Kopfschmerzen und dem Gefühl, jemand habe ein großes Stück aus deinem Leben herausgeschnitten, aufwachtest, setzte das
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