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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus
Autoren: Johanna Nicholls
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das Leben bieten können, das du verdienst. Das beste.«
    »Ich hatte den Besten, den es gab, Jake. Dann ging er«, sagte sie leise. »Trotzdem machte er mir ein unbezahlbares Geschenk. Er brachte mir bei, an mich zu glauben und Bolthole Valley zu verlassen, um ein neues Leben zu beginnen. Und das werde ich tun, Jake, warte nur ab!«
    Sie zog seinen Kopf hinunter und küsste ihn dankbar auf den Mund. »Viel Glück, Jake.«
    Ihr Kleid rauschte leise, als sie in den Garten hinaustrat und auf Morgan zuging.
    Als Jake sich umdrehte, stand Keziah an der gegenüberliegenden Tür. Er war fest entschlossen, den Blick nicht abzuwenden. Schließlich brach sie das Schweigen.
    »Leslie sagt, die Kinder würden heute Nacht hier schlafen.«
    »Stimmt«, antwortete er. »Du kommst mit mir.«
    Er sah die Angst in Keziahs Augen. Jetzt wusste sie die Wahrheit. Heute war nur ein Teil seines Plans gewesen. Und vor ihr lag die Nacht der Abrechnung, vor der Keziah nicht länger weglaufen konnte.

EINUNDSECHZIG
    D ie sterbende Sonne färbte den Himmel mit ihrem Blut.
    Unaufhaltsam zog Horatio den vardo auf den Abgrund zu, der bei den weißen Siedlern Blind Man’s Bluff hieß. Jake wusste, dass nur die Wiradjuri den ursprünglichen Namen dieses magischen Ortes kannten. Seit der Traumzeit hatten die Stammesältesten ihre Weisheit an die jungen Männer weitergegeben, die bereits in die geheimen Angelegenheiten der Männer eingeweiht waren. Jake hoffte, dass sie den gubba zum Trotz daran festgehalten hatten.
    Während er darauf zusteuerte, kam ihm die Idee, dass er vielleicht einen Hauch dieser uralten Weisheit aufsaugen könnte. Jede Hilfe war willkommen. Heute Nacht war jener Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gab. Er warf Keziah einen Blick von der Seite zu. Sie wirkte immer noch ohne jedes Interesse, wie ein gleichgültiges Blatt, das vom Wind verweht wurde.
    Sie fuhren durch ein Labyrinth aus einheimischen Pinien, die sich inmitten der Eukalyptusbäume ihren Platz erkämpfen mussten. Jake bog vom Hauptweg ab und lenkte sie ins dichte Buschland. Die merkwürdige Ironie der Situation war ihm wohl bewusst. Auf ihrer langen Odyssee durch den Busch hatte sich Keziah mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass ihr geliebter vardo auch nur eine Schramme abbekam. Inzwischen schien sie nicht einmal mitzubekommen, dass ihre ganze Familie auseinandergerissen wurde.
    In einer Lichtung hielt Jake den Pferdewagen an. Horatio stand still wie ein Wachtposten, der ganz auf seinen Herrn eingestellt war.

    Jake sah, wie Keziah auf die kleine belgische Pistole in seinem Gürtel schielte. Daniels kostbares Geschenk war eine Vorsichtsmaßnahme, denn Buschräuber konnten überall lauern. Er ging zu einem breiten Felsvorsprung und stellte es Keziah frei, ihm zu folgen.
    Die transzendente Schönheit des Panoramas schnürte ihm wie immer den Hals zu. Weit unter ihnen lag ein versunkenes, steiniges, mit riesigen tropischen Farnbäumen und Palmen übersätes Tal, so alt wie die Zeit selbst. Von dieser Höhe aus erweckte es den Eindruck eines vom Wind aufgepeitschten, wogenden Ozeans, der sich erstreckte, so weit das Auge reichte. Spektakuläre Bögen aus orangefarbenen Sandsteinklippen erhoben sich aus der Talebene und rahmten die Szene ein wie die Schultern eines Riesen. Am fernen Horizont fingen die schieferroten Berge die letzten Sonnenstrahlen ein.
    »Wenn es einen Gott gäbe und er einen Ort suchte, um die Welt zu erschaffen, so wäre er hier genau richtig«, sagte Jake so stolz, als hätte er dieses Tal eigenhändig aus dem Felsen gemeißelt. »Ich wette, dass es auf den Britischen Inseln keinen vergleichbaren Ort gibt.«
    »Das stimmt«, nickte Keziah.
    »Nachdem Gott hiermit fertig war, muss er wohl eingesehen haben, dass er sich nicht mehr übertreffen könnte. Also legte er sein Werkzeug – oder den Zauberstab – beiseite und erklärte den siebten Tag zum Ruhetag. Wahrscheinlich hat er sich ein Glas Ale gegönnt, die Beine hochgelegt und sich selbst auf die Schulter geklopft.«
    Keziah sah ihn verstohlen an. »Klingt fast so, als hätte die Sonntagsschule der Kinder auf dich abgefärbt.«
    »Für gute Geschichten bin ich stets zu haben. Ich muss ja nicht daran glauben, oder?«
    Jake versuchte, sich eine Zigarette zu drehen, doch der Wind blies ihm den Tabak immer wieder von dem Blättchen. Schließlich gab er brummend auf.

    »Warum hast du mich hierhergebracht, Jake?«
    Er wandte sich ab, um seine Freude zu verbergen. Sie hatte ihn beim
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