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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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vor unseren Geschöpfen, den Paksi, schützen müssen, und umgekehrt auch die Paksi vor der Kuppel, bis sie gesellschaftlich so weit sind, daß sie sie ertragen können, ohne sich selbst zu verlieren.“
    Sich selbst zu verlieren…, verlieren… Tondo lauschte der Stimme nach, denn jetzt war er plötzlich allein, sah und hörte nichts, fühlte kaum seinen Körper. Zwar war er sich die ganze Zeit über der Tatsache bewußt gewesen, daß er nur Bilder und Töne wahrnahm, die auf irgendeine ihm unbekannte Weise in seinem Gehirn erzeugt wurden, und er hatte dieses Bewußtsein nicht eine Sekunde verloren; aber jetzt bemerkte er doch, daß die reale Welt ringsum gleichsam versunken war. Trotzdem wußte er genau, wo er war und was mit ihm geschah, und das machte ihn sicher. Er öffnete sich dem, was auf ihn zukam.
    So erlebte er auf eine seltsame Weise die Not und Verzweiflung der „Cotopaxi“-Besatzung mit – die Verwirrung über das Unbegreifliche, das ihnen geschehen war; die Befürchtungen, sich steigernd bis zum Entsetzen, als unwiderruflich feststand, daß sie sich am Rande der Galaxis befanden, und als endlich ausgesprochen wurde, was daraus folgte: Sie würden die Erde nie wiedersehen.
    Iskander Bekmet, der Kommandant, sprach es aus, es war seine Stimme, die Tondo hörte, aber er vernahm auch die Stimmen oder Gedanken der anderen dazu, nacheinander wie in einer Diskussion. Aber es war keine Diskussion, die Kuppel hatte die Gedanken der verschollenen Raumfahrer aneinandergefügt, und das wirkte wohl noch bedrückender als ein naturalistischer Bericht. Tiefe Mutlosigkeit hatte alle erfaßt, wie verschieden auch ihre Äußerungen aussahen, vom verzweifelten Grübeln bis zu Selbstmordgedanken – selbst Tondo wurde von einem Hauch dieser Stimmung gestreift. Am leichtesten hatte es in dieser Situation der Kommandant, er mußte an alle denken. Und da er ebenfalls keinen Ausweg sah, organisierte er zunächst das alltägliche Leben und dann die Forschungstätigkeit. So unterblieben Ausbrüche, aber die scheinbar sinnlose Forschungsarbeit konnte die Depression nicht aufheben.
    Hin und wieder blitzte ein hoffnungsvoller Gedanke auf, aber immer erwies sich seine Undurchführbarkeit, sobald man ihn näher untersuchte. Sich fortpflanzen, ein neues Menschengeschlecht gründen, eine Gesellschaft, die eines Tages, nach vielen Zehntausenden von Jahren, mit der alten Erde in Kontakt treten konnte? Schöner Gedanke – aber wer wollte vor seinen Kindern und Enkeln die Verantwortung übernehmen, wenn sie infolge der heftigen Sonnenstrahlung biologisch degenerierten oder wenn sie die Lebensbedingungen ihrer Eltern nicht mehr reproduzieren konnten, schließlich auch ihr Wissen verloren und in das Stadium der Urgemeinschaft zurückfielen oder wenn, was am wahrscheinlichsten war, beides zusammen eintrat?
    Soviel wie möglich erforschen und die Ergebnisse für die Erde hinterlegen? Aber welche Aufbewahrungsart überstand Jahrtausende? Sie kannten keine. Sie wußten nur, daß keine der bestehenden physikalischen Theorien ihren Flug hierher erklären konnte, und sie durften sicher sein, daß die Erde noch einen weiten Weg vor sich hatte, bis sie diese Kräfte meistern konnte. Und selbst dann mochte es weitere Ewigkeiten dauern, bis die Menschheit sich dieser verlassenen Gegend der Galaxis zuwenden würde.
    So, Schritt für Schritt, verstärkte sich die Depression wieder. Warum sollte man forschen? Weshalb sich vor der blauen Sonne schützen? Als das erste Besatzungsmitglied durch Strahlungsschäden starb, rüttelte das die anderen auf. Die Disziplin hob sich, die Forschungen wurden wieder intensiver betrieben, zugleich rundete sich auch das Bild, das man sich von diesem Sonnensystem machen konnte, und schüchtern keimte hier und da die erste kleine, noch sehr verletzliche Freude an den Ergebnissen der eigenen Arbeit auf.
    Und dann wurde die Kuppel entdeckt, zuerst auf Satellitenaufnahmen. Die gesamte Besatzung durchquerte auf einem ihrer Transporter die Wüste. Der Kommandant betrat als erster Mensch das fremde Bauwerk.
    Tondo bemerkte, daß eine Pause eingetreten war in der seltsamen Informationsübermittlung, die ihn Stimmen hören ließ, aber nicht irgendwelche, sondern offenbar wohlausgewählte Worte oder Gedanken aus einem sicherlich viel umfangreicheren Material, das die Kuppel damals den Gehirnen der Leute von der „Cotopaxi“ entnommen hatte. Warum nur Stimmen? fragte sich Tondo. Nun, er würde sehen.
    Er war überzeugt, daß er
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