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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
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Pfirsichstand arbeitet. Ein ganzes Buch hat sie dabei verschlungen. Du musst ja mächtig stolz auf sie sein.« Worauf er mich dann halb umbrachte.
    Wie kann man nur etwas dagegen haben, dass jemand liest ? Ich glaube, er befürchtete, Bücher würden in mir den Gedanken ans College wecken, was er bei Mädchen natürlich für völlige Geldverschwendung hielt, selbst wenn sie, wie ich, die allerbeste Note bekamen, die man bei einem mündlichen Eignungstest überhaupt erreichen kann. Mathe ist nun nicht so mein Fall, aber man muss ja nicht in allen Fächern überdurchschnittlich gut sein.
    Ich war die einzige Schülerin, die nicht murrte und knurrte, wenn Mrs. Henry noch ein Shakespeare-Drama mit uns las. Ich tat natürlich so , als hätte ich dazu keine Lust, aber im Innern war ich so aufgeregt, als hätte man mich zur Pfirsichkönigin von Sylvan ernannt.
    Bis zu dem Tag, an dem Mrs. Henry an unsere Schule gekommen war, hatte ich immer geglaubt, die Kosmetikschule würde die Krönung meiner beruflichen Laufbahn sein. Ich hatte ihr einmal, nachdem ich ihr Gesicht genau betrachtet hatte, gesagt, wenn sie erst einmal meine Kundin wäre, würde ich ihr die Haare zu einer klassischen Banane hochstecken, das würde ihr ganz wunderbar stehen, und sie sagte - wortwörtlich: »Also bitte, Lily, das ist eine Beleidigung deiner Intelligenz. Weißt du überhaupt, wie klug du bist? Du könntest Lehrerin oder Schriftstellerin werden, deine eigenen Bücher könntest du verfassen. Aber die Kosmetikschule. Ich bitte dich.«
    Ich habe einen ganzen Monat gebraucht, um den Schock zu verdauen, dass sich mir in meinem Leben so etwas wie Möglichkeiten bieten könnten. Man kennt das ja, die Erwachsenen fragen einen immer: »Na, und was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?« Ich kann überhaupt nicht sagen, wie sehr ich diese Frage immer gehasst habe, aber auf einmal erzählte ich allen, dass ich Lehrerin werden und einmal richtige Bücher schreiben würde - ob sie es hören wollten oder nicht.
    Ich sammelte alles, was ich jemals geschrieben hatte. Eine Zeit lang kamen in allem, was ich schrieb, Pferde vor. Nachdem wir in der Schule Ralph Waldo Emerson gelesen hatten, schrieb ich »Meine Lebensphilosophie«. Es sollte der Anfang zu einem Buch werden, aber ich bin nie über die ersten drei Seiten hinausgekommen. Mrs. Henry sagte mir, ich müsste schon noch etwas älter werden als vierzehn, um eine Lebensphilosophie zu haben.
    Sie meinte, ein Stipendium wäre meine Chance, und lieh mir über den Sommer ihre Bücher. Jedes Mal, wenn ich eines aufschlug, sagte T. Ray: »Was denkst du eigentlich, wer du bist, Julius Shakespeare?« Er glaubte, das sei Shakespeares Vorname, aber wer jetzt meint, ich hätte ihn korrigieren sollen, der hat keine Ahnung von der Kunst des Überlebens. Er nannte mich auch Fräulein Brontë-Bücherwurm oder Eierkopf-Emily-Diktion. Er meinte natürlich Dickinson, aber, wie gesagt, an manche Dinge sollte man nicht rühren.
    Ohne Bücher verbrachte ich die Zeit im Pfirsichstand oft damit, Gedichte zu erfinden, aber an diesem einen, entsetzlich langen Nachmittag war mir nicht nach Reimen zumute. Ich saß einfach nur da und dachte, wie sehr ich den Pfirsichstand hasste, wie abgrundtief ich ihn hasste.
     
    An dem Tag, bevor ich eingeschult wurde, musste ich am Stand arbeiten, und T. Ray hatte gesehen, wie ich einen Nagel in einen seiner Pfirsiche gesteckt hatte.
    Er ging auf mich zu, Daumen in den Hosentaschen, die Augen zusammengekniffen, weil die Sonne so grell war. Ich sah, wie sein Schatten über den Staub und das Unkraut immer näher glitt, und dachte, dass er kam, um mich zu bestrafen, weil ich einen Pfirsich erstochen hatte. Dabei wusste ich noch nicht einmal, warum ich das getan hatte.
    Stattdessen sagte er: »Lily, du kommst morgen in die Schule, und es gibt ein paar Dinge, die du wissen musst. Über deine Mutter.«
    Einen Augenblick lang war alles so ruhig und still, als ob der Wind aufgehört hätte zu wehen und die Vögel in ihrem Flug innegehalten hätten. Als er sich vor mich hockte, fühlte ich mich von einer heißen Dunkelheit umfangen, aus der ich mich nicht befreien konnte.
    »Es ist an der Zeit, dass du weißt, was mit ihr passiert ist, und ich will, dass du es von mir hörst. Nicht von den anderen Leuten.«
    Wir hatten niemals darüber gesprochen, und ich spürte, wie mir ein Schauer über den Rücken lief. Die Erinnerung an diesen Tag überkam mich in den merkwürdigsten Momenten. Das verkeilte
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