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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
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ich keinen hatte, knibbelte ich die Haut um meine Fingernägel herum ab, bis ich ein hässliches, blutendes Etwas war. Ich machte mir so viele Gedanken darum, wie ich aussah und ob ich alles richtig machte, dass ich die meiste Zeit das Gefühl hatte, ich tat nur, als sei ich ein Mädchen, ohne eins zu sein.
    Ich hatte gehofft, die Dinge würden endlich besser werden, als vergangenes Frühjahr ein paar Wochen lang freitagnachmittags im Frauenclub ein Benimmkurs abgehalten wurde.
    Aber ich wurde gleich ausgeschlossen, weil ich keine Mutter hatte, keine Großmutter, noch nicht einmal eine mickrige Tante, die mich bei der offiziellen Abschlusszeremonie mit einer weißen Rose hätte vorstellen können. Rosaleen konnte das nicht für mich tun, es war gegen die Regeln. Ich weinte, bis mir so schlecht wurde, dass ich mich ins Waschbecken übergeben musste.
    »Du hast doch wohl genug Charme und Manieren«, sagte Rosaleen und spülte das Erbrochene aus dem Waschbecken. »Du brauchst nich’ zu irgend so’nem hochgestochenen Kurs zu gehen, um’ne Lady zu werden.«
    »Doch«, sagte ich, »sie bringen einem da alles bei. Wie man geht und knickst, wie man sich auf einen Stuhl setzt, die Beine richtig übereinander schlägt, wie man in ein Auto einsteigt, Tee eingießt, sich die Handschuhe auszieht...«
    Rosaleen stieß einen Seufzer aus. »Große Güte«, sagte sie.
    »... wie man Blumen in einer Vase arrangiert, mit Jungen spricht, sich die Augenbrauen zupft, die Beine rasiert, Lippenstift benutzt...«
    »Und was is’ mit in Waschbecken kotzen? Bringen’se einem da vielleicht auch bei, wie man richtig kotzt?«
    Manchmal hasste ich sie einfach.
     
    Am anderen Morgen, nachdem ich T. Ray aufgeweckt hatte, stand Rosaleen in der Tür zu meinem Zimmer und sah zu, wie ich eine Biene mit einem Weckglas jagte. Sie hatte ihre Lippen so weit nach außen gestülpt, dass ich das zarte rosa Fleisch in ihrem Mund sehen konnte.
    »Was machste denn mit dem Glas?«, fragte sie.
    »Ich fange Bienen, um sie T. Ray zu zeigen. Er glaubt doch, ich hätte sie erfunden.«
    »Lieber Gott, gib mir Kraft.« Sie hatte auf der Veranda Butterbohnen geschält, Schweiß glänzte auf den kringeligen Locken schwarzen Haars, das ihre Stirn umspielte. Sie zupfte an ihrem Kleid herum und machte ihr Vorderteil ein wenig auf, worunter ihr Busen hervorkam, der so groß und weich war wie ein Sofakissen.
    Die Biene landete auf der Landkarte, die ich an die Wand geheftet hatte. Ich beobachtete, wie sie entlang der Küste von South Carolina über den Highway 17 krabbelte. Ich schlug das Glas mit der Öffnung gegen die Wand und fing die Biene zwischen Charleston und Georgetown ein. Als ich den Deckel aufsetzte, begann sie, wie verrückt im Kreis herumzufliegen, und es machte jedes Mal »plop« und »klick«, wenn sie gegen das Glas knallte - wie der Klang von Hagel, der ans Fenster schlägt.
    Ich hatte das Glas so behaglich wie möglich hergerichtet, mit pelzigen Blütenblättern voller Pollen, hatte viele kleine Löcher in den Deckel gestochen, damit die Biene überleben konnte, denn ich wusste wohl, dass man, wenn man ein Tier getötet hatte, zur Strafe als genau das Wesen wieder auf die Welt zurückkommen konnte.
    Ich hob das Glas auf Augenhöhe. »Komm und sieh dir an, wie das arme Ding kämpft«, sagte ich zu Rosaleen.
    Als sie ins Zimmer trat, hüllte mich ihr Geruch ein, dunkel und würzig wie der Kautabak, den sie sich in die Backen stopfte. In der Hand hielt sie ihr kleines Kännchen mit dem münzgroßen Ausguss und einem Henkel, der so klein war, dass sie gerade ihren Finger hindurchstecken konnte. Ich beobachtete, wie sie es unter ihr Kinn hielt, die Lippen zu einem Kelch spitzte und dann einen Kringel aus schwarzem Saft hineinspuckte.
    Sie starrte die Biene an und schüttelte den Kopf. »Wenn de gestochen wirst, komm nich’ zu mir gerannt«, sagte sie, »weil, mich kümmert’s nicht.«
    Das war natürlich gelogen.
    Ich war die Einzige, die wusste, dass sie bei ihrer ruppigen Art ein Herz hatte, das sanfter war als Blütenblätter, und dass sie mich wahnsinnig lieb hatte.
    Ich hatte es nicht gewusst bis zu dem Tag - ich war damals acht Jahre alt -, an dem sie mir ein gefärbtes Osterküken aus dem Kaufhaus mitgebracht hatte. Als sie es mir gab, saß es zitternd in einer Ecke seines Verschlages, in der Farbe tiefroter Trauben, mit kleinen, traurigen Augen, die nach seiner Mutter Ausschau hielten. Rosaleen erlaubte mir, das Küken ins Haus zu bringen, ins
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