Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
Vom Netzwerk:
ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. Und so kam mir die brillante Idee, ein paar Bienen in einem Glas einzufangen. Das könnte ich dann T. Ray zeigen und sagen: »Wer erfindet hier Geschichten?«
     
    Meine erste und gleichzeitig einzige Erinnerung an meine Mutter stammt von dem Tag, an dem sie starb. Ich habe lange Zeit versucht, mir ein früheres Bild von ihr ins Gedächtnis zu rufen, einen Erinnerungsfetzen - wie sie abends meine Bettdecke zurechtzupft, wie sie mir die Abenteuer von »Struwwelpeter« vorliest oder wie sie an einem eiskalten Morgen meine Unterwäsche neben den Ofen hängt. Mir wäre ja selbst eine Erinnerung, in der sie einen Forsythienzweig abbricht und damit meine Beine piekst, lieb gewesen.
    Sie starb am 3. Dezember 1954. Der Ofen hatte die Luft so sehr aufgeheizt, dass meine Mutter ihren Pullover ausgezogen hatte und nun kurzärmelig dastand und verzweifelt am Schlafzimmerfenster rüttelte, das völlig verkeilt war.
    Schließlich gab sie auf und sagte: »Ach, zur Hölle damit, dann verglühen wir eben hier oben.«
    Ihr Haar war schwarz und üppig, dicke Locken kringelten sich um ihr Gesicht, ein Gesicht, das mir niemals wirklich deutlich erscheint, obwohl alles andere so klar ist.
    Ich streckte die Arme nach ihr aus, und sie hob mich hoch, sagte, dass ich für so was doch eigentlich schon viel zu groß sei, aber sie nahm mich trotzdem in den Arm. Als sie mich anhob, umgab mich ihr Duft.
    Dieser Duft hat sich mir auf immer eingeprägt, es war der deutliche Geruch von Zimt. Ich ging regelmäßig ins Kaufhaus von Sylvan und roch an jeder einzelnen Parfümflasche, um diesen Duft wiederzufinden. Jedes Mal, wenn ich dort erschien, spielte die Parfümverkäuferin die Überraschte und sagte: »Sieh mal einer an, wen haben wir denn da.« Als wäre ich nicht erst letzte Woche auch schon da gewesen und hätte die Flaschen der Reihe nach durchprobiert. Shalimar, Chanel No 5, White Shoulders.
    Ich sagte dann jedes Mal: »Haben Sie etwas Neues?«
    Sie hatte nie etwas Neues.
    Es war ein echter Schock, als ich den Geruch an meiner Lehrerin aus der fünften Klasse entdeckte, die mir sagte, es sei einfach nur gewöhnliche Ponds Creme.
    An dem Nachmittag, als meine Mutter starb, lag ein offener Koffer auf dem Boden, dicht bei dem verkeilten Fenster. Sie lief ständig hin und her, in die Kleiderkammer hinein und wieder heraus, warf das eine oder andere achtlos in den Koffer, ohne es zusammenzufalten.
    Ich folgte ihr in die Kammer, kroch unter Kleidersäume und Hosenbeine, ins Dunkle, über Staubfäden und kleine tote Motten, bis ganz nach hinten zu T. Rays Stiefeln, die den Matsch von Obstwiesen und den modrigen Geruch von Pfirsichen an sich hatten. Ich steckte die Hände in ein Paar weißer Stöckelschuhe und schlug sie zusammen.
    Der Boden der Kammer vibrierte immer, wenn jemand unten die Treppen hoch stieg, und so wusste ich, dass T. Ray kam. Ich hörte über meinem Kopf, wie meine Mutter Sachen von Bügeln zog, Kleider raschelten, Metall klimperte. Beeil dich , sagte sie.
    Als seine Schuhe ins Zimmer trampelten, seufzte sie tief, der Atem entwich ihr, als ob ihre Lungen sich plötzlich verkrampft hätten. Das ist das Letzte, an das ich mich ganz deutlich erinnere - ihr Atem, der zu mir herabsank wie ein kleiner Fallschirm, der spurlos zwischen Stapeln von Schuhen in sich zusammenfiel.
    Ich erinnere mich nicht daran, was sie gesagt haben, nur an die Wut in ihren Worten, daran, dass die Luft rau wurde und Striemen hatte. Später musste ich dabei immer an Vögel denken, die in einem Zimmer gefangen sind und blindlings gegen Fenster, Wände und gegeneinander klatschen. Ich kroch rückwärts, immer tiefer in die Kammer, spürte die Finger in meinem Mund, den Geschmack von Schuhen, von Füßen.
    Als ich herausgezerrt wurde, war mir erst gar nicht klar, wessen Hände mich zogen, dann fand ich mich in Mutters Armen und atmete ihren Geruch ein. Sie strich mein Haar glatt und sagte: »Hab keine Angst«, aber T. Ray rupfte mich von ihr los. Er trug mich zur Tür und setzte mich unten im Flur ab. »Geh in dein Zimmer«, sagte er.
    »Ich will aber nicht«, weinte ich und versuchte, mich an ihm vorbeizudrängen, zurück ins Zimmer, zurück zu ihr.
    »Geh in dein verdammtes Zimmer«, brüllte er und schubste mich hart zur Seite. Ich stieß gegen die Wand, fiel auf Hände und Knie. Als ich den Kopf hob und an ihm vorbeiblickte, sah ich sie im Zimmer herumlaufen. Sie stürmte auf ihn zu und schrie: »Lass sie in Ruhe!«
    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher