Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
Vom Netzwerk:
Fenster. Ihr Geruch. Das Klappern der Bügel. Der Koffer. Wie sie gestritten und geschrien haben. Vor allem die Waffe auf dem Boden, ihr Gewicht in meiner Hand, als ich sie aufgehoben habe.
    Ich wusste, dass die Explosion, die ich an diesem Tag gehört hatte, sie getötet hatte. Das Geräusch drang in meinen Kopf, ständig überraschte es mich. Manchmal schien es mir dann, als hätte es in dem Moment, als ich die Waffe in den Händen hielt, überhaupt keinen Knall gegeben, als wäre das Geräusch erst sehr viel später gekommen, aber manchmal, wenn ich allein auf der Treppe saß, mich langweilte und nicht wusste, was ich tun sollte, oder wenn ich mich an einem Regentag in meinem Zimmer wie eingesperrt fühlte, dann war mir, als hätte ich es verursacht, als wäre der Knall genau in dem Moment, als ich die Waffe aufgehoben habe, durch das Zimmer hindurchgegangen und hätte uns alle mitten ins Herz getroffen.
    Es war eine dunkle Gewissheit, die in diesen Augenblicken in mir hochkam und mich völlig überwältigte, und dann rannte ich jedes Mal - selbst wenn es stark regnete, lief ich hinaus - den Hügel hinunter zu meinem Lieblingsplatz zwischen den Bäumen. Ich legte mich ganz flach auf den Boden, und das beruhigte mich.
    T. Ray hatte eine Hand voll Erde aufgehoben und ließ sie aus seinen Händen rieseln. »An dem Tag, als sie starb, räumte sie die Kleiderkammer auf«, sagte er. Ich konnte mir den komischen Tonfall seiner Stimme nicht erklären, er war unnatürlich, beinahe, aber nicht wirklich, sanft .
    Die Kleiderkammer aufräumen. Ich hatte nie darüber nachgedacht, was sie in den letzten Minuten ihres Lebens getan hatte, warum sie in der Kammer gewesen war, worüber sie eigentlich gestritten hatten.
    »Ich erinnere mich«, sagte ich. Meine Stimme klang kläglich und so leise, als käme sie von weit entfernt aus dem tiefen Gang einer Ameise.
    Er zog die Augenbrauen hoch und kam mit seinem Gesicht ganz nahe. Nur seine Augen verrieten, dass er verwirrt war. » Was tust du?«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich noch einmal. »Ihr habt euch angeschrien.«
    In seinem Gesicht zuckte es. »Tatsächlich?«, sagte er. Seine Lippen wurden allmählich blass, darauf achtete ich immer, denn das war das Zeichen. Ich wich einen Schritt zurück.
    »Verdammt noch mal, du warst vier Jahre alt«, brüllte er. »Du weißt doch gar nicht, an was du dich erinnerst.«
    In der Stille, die dann folgte, erwog ich zu lügen und zu sagen: Ich nehme es zurück. Ich erinnere mich an gar nichts. Erzähl mir, was passiert ist , aber das Verlangen, das sich so lange in mir aufgestaut hatte, endlich darüber zu sprechen, endlich die Worte zu sagen, war stärker.
    Ich sah auf meine Schuhe, auf den Nagel, der mir aus der Hand gefallen war, als ich ihn hatte kommen sehen. »Da war eine Waffe.«
    »Gütiger Himmel«, sagte er.
    Er sah mich lange an, dann ging er zu den Körben, die hinter dem Stand gestapelt waren. Er stand dort eine Minute lang mit geballten Fäusten, ehe er sich umdrehte und wieder zu mir zurückkam.
    »Was noch?«, fragte er. »Du sagst mir jetzt, was du weißt.«
    »Die Waffe war auf dem Boden...«
    »Und du hast sie aufgehoben«, sagte er. »Daran wirst du dich dann ja wohl auch erinnern.«
    Das Geräusch der Explosion hallte in meinem Kopf wider. Ich sah zur Seite in Richtung der Plantage, ich wollte losrennen, nur weg.
    »Ich erinnere mich, dass ich sie aufgehoben habe«, sagte ich. »Aber an mehr nicht.«
    Er beugte sich zu mir herunter, fasste mich bei den Schultern und schüttelte mich. »Erinnerst du dich an sonst nichts? Sicher? Los, denk nach.«
    Er beäugte mich misstrauisch..
    »Nein, Sir, das ist alles.«
    »Hör gut zu«, sagte er, und presste dabei seine Finger in meine Arme. »Wir haben uns gestritten, wie du sagst. Wir haben dich gar nicht gesehen. Aber dann drehten wir uns um, und da standst du, mit der Waffe in der Hand. Du hattest sie vom Boden aufgehoben. Und dann ging sie einfach los.«
    Er ließ von mir und rammte seine Hände in die Taschen. Ich hörte, wie er dabei mit seinen Schlüsseln und ein paar Münzen klimperte. Ich wollte mich so gerne an sein Bein klammern und spüren, wie er sich zu mir herabbeugen und mich hochheben, an seine Brust drücken würde, aber ich war wie gelähmt, und er auch. Er starrte über mich hinweg in die Gegend, und das tat er sehr lange und ausgiebig.
    »Die Polizei hat’ne ganze Reihe Fragen gestellt, aber es war halt nur eine dieser scheußlichen Geschichten. Du hast es ja
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher