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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
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gelegt, sie war viel zu weit weg, unerreichbar.
    »Liliiiiiiiii!«, schrie er, und ich sah seinen Schatten am Boden auf mich zustürzen.
    Ich stopfte die Handschuhe und Bilder unter meinen Hosenbund und fasste mit zitternden Fingern nach den restlichen Knöpfen.
    Noch ehe ich alle zumachen konnte, traf mich sein Licht, und da stand er, mit bloßem Oberkörper, eine Taschenlampe in der Hand. Das Licht zuckte unruhig, es blendete mich, wenn es in meine Augen traf.
    »Wer war hier bei dir?«, brüllte er und leuchtete auf meine Bluse, die immer noch halb offen war.
    »N-Niemand«, sagte ich und schlang die Arme um meine Knie, völlig aufgelöst bei der Vorstellung, was er jetzt wohl denken musste. Ich konnte ihm nicht lange ins Gesicht sehen, es war so groß und lodernd wie das Antlitz Gottes.
    Er strahlte mit der Taschenlampe in die Dunkelheit. »Wer ist da?«, rief er.
    »T. Ray, ehrlich, es ist niemand bei mir gewesen.«
    »Steh sofort auf und komm da raus«, schrie er.
    Ich folgte ihm zurück zum Haus. Beim Gehen stampfte er so hart mit den Füßen auf, dass mir der schwarze Boden Leid tat. Er sprach kein Wort, bis wir in die Küche kamen und er ein Paket Grießflocken aus dem Schrank holte. »Von Jungs erwarte ich nichts andres, Lily - kann man denen einfach nich’ verübeln -, aber von dir erwarte ich mehr. Du führst dich auf wie eine Schlampe.«
    Er schüttete einen Haufen Grieß von der Größe eines Maulwurfhaufens auf den Holzboden. »Knie dich da hin.«
    Ich hatte auf Grieß gekniet, seit ich sechs Jahre alt war, aber niemals hatte ich mich an dieses Gefühl zerborstener Glassplitter auf meiner Haut gewöhnen können. Ich bewegte mich mit trippelnden, federleichten Schritten vorwärts, so wie es von einem Mädchen in Japan erwartet wird, und hockte mich auf den Boden, fest entschlossen, nicht zu weinen, aber der stechende Schmerz ging direkt von meinen Knien in die Augen und ließ meine Tränen anschwellen.
    T. Ray saß in einem Stuhl und reinigte sich die Nägel mit seinem Taschenmesser. Ich verlagerte mein Gewicht von einem Knie auf das andere in der Hoffnung, ein oder zwei Sekunden lang eine kleine Erleichterung zu verspüren, aber der Schmerz schnitt sich tief in meine Haut. Ich biss mir auf die Lippen, und dann auf einmal spürte ich das hölzerne Bild der schwarzen Maria an meinem Hosenbund. Ich spürte das Wachspapier, das ihr Bild enthielt, und ihre Handschuhe an meinem Bauch, und auf einmal war mir, als wäre meine Mutter da, ich spürte sie auf meiner Haut, so als würde sie mich schützen, als hätte sie ein Isolierband um mich herumgewickelt, um all seine Gemeinheit zu dämpfen.
    Am nächsten Morgen wurde ich erst spät wach. Ich hatte mich noch nicht ganz aufgesetzt, als ich sofort unter der Matratze nachsah, unter die ich die Sachen meiner Mutter gestopft hatte - nur ein vorübergehendes Versteck, bis ich sie wieder zwischen den Bäumen vergraben könnte.
    Beruhigt darüber, dass sie dort sicher waren, ging ich in die Küche, wo Rosaleen die Grießflocken zusammenkehrte.
    Ich strich Butter auf eine Scheibe Brot.
    Sie stieß den Besen beim Kehren und machte ordentlich Wind. »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Ich war letzte Nacht bei den Obstbäumen. T. Ray glaubt, ich hätte mich mit einem Jungen getroffen.«
    »Und, hast du?«
    Ich verdrehte die Augen. »Nein.«
    »Wie lang mussteste hier hocken?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Eine Stunde vielleicht.«
    Sie sah auf meine Knie und stellte den Besen weg. Sie waren geschwollen und übersät mit Hunderten roter Nadelstiche, winzig kleine Flecken, die sich zu einem blauen Stoppelfeld auswachsen würden. »Sieh dich doch mal an, mein Kind. Sieh nur, was der dir angetan hat«, sagte sie.
    Meine Knie waren auf diese Weise schon so oft malträtiert worden, dass ich darüber gar nicht weiter nachdachte, es war etwas ganz Normales, das ich eben von Zeit zu Zeit ertragen musste, so wie eine Erkältung. Aber plötzlich drang der Ausdruck in Rosaleens Gesicht durch all das zu mir hindurch. Sieh nur, was der dir angetan hat.
    Genau das tat ich - ich sah mir meine Knie ganz genau an -, als T. Ray durch die Hintertür hereintrampelte.
    »Oh, schau mal, wer schon aufgestanden ist.« Er riss mir das Brot aus der Hand und schmiss es in Snouts Futtertrog. »Wär’s zu viel verlangt, wenn du jetzt raus zum Pfirsichstand gehst und arbeitest? Heut ist schließlich nicht dein Feiertag.«
    Das klingt jetzt sicher völlig verrückt, aber bis zu diesem Moment
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