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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja
Autoren: Waldemar Bonsels
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erschrak.
    »Man wird sich doch wohl einen Augenblick ausruhen dürfen«, sagte sie. Sie erinnerte sich, daß Kassandra ihr mitgeteilt hatte, daß das Volk der Bienen überall in der Insektenwelt in großem Ansehen stehe. Nun wollte sie einmal eine Probe machen, ob es ihr gelänge, sich in Respekt zu setzen. Aber ihr Herz klopfte doch etwas, weil sie sehr laut und entschieden geantwortet hatte.
    Der Brummer erschrak in der Tat sichtlich, als er merkte, daß Maja nicht willens war, sich etwas vorschreiben zu lassen. Mit verdrossenem Summen schwang er sich auf einen Schilfhalm, der sich über das Blatt neigte, auf dem Maja saß, und sagte um vieles höflicher von oben herunter aus dem Sonnenschein:
    »Sie sollten lieber einiges arbeiten, wie es sich für Sie gehört, aber wenn Sie der Ruhe bedürfen ... immerhin. Ich werde hier warten.«
    »Es sind doch wirklich Blätter genug da«, meinte Maja.
    »Alles vermietet«, sagte er. »Man ist heutzutage froh, wenn man ein kleines Grundstück sein eigen nennt. Wäre mein Vorgänger nicht vor zwei Tagen vom Frosch gefangen worden, so hätte ich heute noch keine rechte Unterkunft. Immer bald hier, bald dort zu übernachten, hat viel gegen sich. Es hat halt nicht jeder ein so geordnetes Staatswesen, wie Sie es pflegen. Übrigens mein Name ist Hans Christoph, mit Verlaub mich Ihnen vorzustellen.«
    Maja schwieg und dachte mit Schrecken darüber nach, wie furchtbar es sein müsse, in die Gewalt des Frosches zu geraten.
    »Gibt es in diesem Gewässer viele Frösche?« fragte sie den Brummer und setzte sich genau in die Mitte des Blattes, damit man sie vom Wasser aus nicht erblickte.
    Der Brummer lachte.
    »Geben Sie sich keine Mühe,« spottete er, »der Frosch kann Sie von unten sehn, wenn die Sonne leuchtet, weil das Blatt dann durchscheint. Er sieht ganz genau, wie Sie auf meinem Blatt sitzen.«
    Maja, die von der bösen Vorstellung befallen wurde, dicht unter ihrem Blatt säße vielleicht ein großer Frosch und schaute sie mit seinen vorquellenden, hungrigen Augen an, wollte rasch auffliegen, als etwas ganz Furchtbares geschah, worauf sie in der Tat in keiner Weise vorbereitet war. Anfangs konnte sie in der ersten Verwirrung nicht genau unterscheiden, was eigentlich vor sich ging, sie hörte nur ein helles, klirrendes Sausen über sich, das so klang, als schwirrte der Wind in welken Blättern; dazu hörte sie ein singendes Pfeifen, einen hellen zornigen Jagdruf, und ein feiner, durchsichtiger Schatten huschte über ihr Blatt. Und dann erkannte sie, und ihr Herz stand still vor Angst, daß eine große, schillernde Libelle sich des armen Hans Christophs bemächtigt hatte und den verzweifelt Schreienden in ihren großen, messerspitzen Fängen hielt. Sie ließ sich mit ihrer Beute auf dem Schilfhalm nieder, der sich unter ihrer Last etwas niederbeugte, so daß Maja die beiden über sich schweben sah und zugleich das Spiegelbild im klaren Wasser. Hans Christophs Geschrei zerriß ihr Herz. Ohne Besinnen rief sie laut:
    »Lassen Sie sofort den Brummer los, wer immer Sie sein mögen. Sie haben nicht das geringste Recht, in so eigenmächtiger Weise in die Gewohnheiten anderer einzugreifen.«
    Die Libelle ließ den Brummer aus ihren Fängen, hielt ihn aber sorgfältig mit den Armen fest und drehte den Kopf nach Maja um. Maja erschrak sehr über die großen ernsten Augen der Libelle und über die bösen Beißzangen, die sie hatte, aber das Glitzern ihrer Flügel und ihres Leibes entzückte sie. Es blitzte wie Wasser, Glas und Edelsteine. Nur die ungeheure Größe der Libelle entsetzte sie, sie begriff ihren Mut nicht mehr und begann auf das heftigste zu zittern.
    Aber die Libelle sagte ganz freundlich:
    »Kind, was ist denn mit Ihnen?«
    »Lassen Sie ihn los,« rief Maja und in ihre Augen kamen Tränen, »er heißt Hans Christoph ...«
    Die Libelle lächelte.
    »Weshalb denn, Kleine?« fragte sie und machte ein interessiertes Gesicht, das aber einen Ausdruck von großer Herablassung hatte.
    Maja stotterte hilflos:
    »Ach, er ist doch ein so netter, sauberer Herr und hat Ihnen, soviel ich weiß, nichts zuleide getan.«
    Die Libelle sah Hans Christoph nachdenklich an:
    »Ja, er ist ein lieber, kleiner Kerl«, antwortete sie zärtlich und biß ihm den Kopf ab.
    Maja glaubte die Besinnung zu verlieren, so sehr erschütterte sie dieser Vorgang. Sie konnte lange kein Wort hervorbringen und mußte nun, voll Grauen, die krachenden und knuspernden Laute hören, unter denen der Körper des
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