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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja
Autoren: Waldemar Bonsels
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niemandem zumut gewesen. -- Ist Ihnen auch schon etwas Trauriges passiert? Dann erzählen Sie es mir vielleicht ein andermal.«
    »Nein,« sagte Maja, »ich bin eigentlich bis jetzt immer froh gewesen.«
    »Da können Sie Gott danken«, meinte Schnuck, etwas enttäuscht.
    Maja fragte nach dem Frosch.
    »Ach so, der«, sagte Schnuck. »Er erlitt voraussichtlich den Tod, den er verdiente. Wie konnte er nur die Herzenshärtigkeit aufbringen, einen Sterbenden zu ängstigen? Er versuchte damals zu entkommen, aber da sein eines Bein sowohl als auch sein eines Auge völlig außer Tätigkeit gesetzt waren, hüpfte er ununterbrochen im Kreise herum. Es sah außerordentlich komisch aus. 'So wird der Storch Sie bald gefunden haben', rief ich ihm zu, bevor ich davonflog.«
    »Der arme Frosch«, sagte die kleine Maja.
    »Nun, ich muß doch bitten,« meinte die Libelle nicht ohne Entrüstung, »Sie gehn zu weit. Einen Frosch bedauern, heißt sich in den eigenen Flügel schneiden. Sie sind eine gewissenlose Person, wie mir scheint.«
    »Das kann ja sein,« antwortete Maja, »aber es wird mir sehr schwer, jemanden leiden zu sehn.«
    »O,« tröstete sie Schnuck, »das liegt an Ihrer Jugend, Sie werden es lernen, nur Mut, meine Freundin. Aber ich muß nun fort in die Sonne. Es ist hier reichlich kühl. Leben Sie wohl!«
    Es klirrte leise, und tausend helle Farben blitzten auf, blasse, liebliche Farben, wie rinnendes Wasser sie hat und klare Edelsteine. Schnuck schwang sich durch die grünen Schilfhalme bis auf die Oberfläche des Wassers, und Maja hörte sie in der Morgensonne singen. Sie lauschte dem feinen Gesang, der etwas von der schwermütigen Süßigkeit eines Volksliedes hatte und das Herz der kleinen Maja fröhlich stimmte und traurig zugleich. Es klang zu ihr herüber:
    Lieblich ist der stille Fluß,
wenn der Morgensonne Gruß
seine Flut getroffen.
Wo der grüne Schilfhalm weht
und die Wasserrose steht,
weiß und gelb und offen.
Warmer Duft und Wind und Flut,
auf den Flügeln Sonnenglut
und im Herzen Freude.
Ach, das Leben ist nicht lang,
goldner Sommer, habe Dank,
herrlich ist es heute.
    »Horch, das Lied der Libelle erschallt«, rief ein weißer Schmetterling seiner Freundin zu. Sie schaukelten sich dicht an Maja vorüber durch das strahlende Blau des schönen Tags. Da hob auch die kleine Biene ihre Flügel, und mit leisem Summen begrüßte sie den silbernen See zum Abschied und flog landeinwärts davon.

Viertes Kapitel
Iffi und Kurt

    Als die kleine Maja am anderen Morgen im Kelch einer blauen Glockenblume erwachte, hörte sie, daß die Luft von einem feinen leisen Rauschen erfüllt war, und sie spürte, daß die Blume sich bewegte, als bekäme sie heimlich kleine Stöße. Durch ihren geöffneten Kelch zog ein feuchter Geruch von Gras und Erde, und es war sehr kühl.
    Maja nahm ängstlich ein wenig Blütenstaub von den gelben Staubgefäßen der Blume, machte dann sorgfältig Morgentoilette und wagte sich vorsichtig Schritt für Schritt bis an den äußersten Rand des hängenden Kelches. Da sah sie, daß es regnete. Ein feiner kühler Regen ging mit leisem Rauschen nieder und bedeckte alles umher mit Millionen heller Silberperlen. Sie lagen auf den Blättern und Blumen, rollten im Gras die schmalen grünen Wege der Halme nieder und erfrischten den braunen Erdboden.
    Maja sah mit großem Erstaunen und voll tiefer Verwunderung diese Veränderung der Welt, es war der erste Regen, den sie in ihrem jungen Dasein erlebte. Aber obgleich es ihr wohl gefiel und sie beglückte, stellte sich doch eine leichte Besorgnis bei ihr ein, denn sie erinnerte sich der Warnung Kassandras, niemals im Regen auszufliegen. Sie begriff, daß es schwer sein mußte, die Flügel im Tropfenfall zu bewegen, auch tat ihr die Kälte weh, und sie vermißte den ruhigen goldenen Sonnenschein, der die ganze Erde heiter und sorglos stimmte.
    Es mußte noch sehr früh sein, denn das Leben im Gras unter ihr nahm erst seinen Anfang. Unter ihrer blauen Glocke war sie wohlgeborgen und konnte den erwachenden Verkehr unter sich prächtig beobachten. Darüber vergaß sie für eine Weile ihren Kummer und das Heimweh, das sich in ihrem Herzen einstellte. Es war gar zu unterhaltend, so von einem sicheren Versteck aus, von oben her, auf das Leben und Treiben der Grasbewohner herabzuschaun. Aber allmählich zog es ihre Gedanken doch nach ihrer verlassenen Heimat, nach dem Schutz und der starken Gemeinschaft des Bienenstocks. Dort saßen sie nun beieinander, des Ruhetags
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