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Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Titel: Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Autoren: Veronica Roth
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Ich lasse mir etwas davon in den Mund tropfen. Die Medizin schmeckt nach alten Zitronen.
    Er hakt seinen Daumen in eine seiner Gürtelschlaufen. » Wie geht es dir, Beatrice?«, fragt er.
    » Hast du mich eben Beatrice genannt?«
    » Ich dachte, einen Versuch ist es wert.« Er lächelt. » Nicht gut?«
    » Vielleicht zu besonderen Anlässen. » Am Tag der Initiation. Bei der Zeremonie der Bestimmung…« Ich stocke. Ich war drauf und dran, noch ein paar Feiertage herunterrasseln, die nur bei den Altruan gefeiert werden. Die Ferox haben ihre eigenen Feiertage, nehme ich an, aber die kenne ich nicht. Und überhaupt, die Vorstellung, dass wir gerade jetzt etwas zu feiern hätten, ist so lächerlich, dass ich nicht weiterrede.
    » Abgemacht.« Sein Lächeln verschwindet. » Wie geht es dir, Tris?«
    Nach allem, was wir hinter uns haben, ist das eine berechtigte Frage, aber als er sie stellt, verkrampft sich alles in mir vor lauter Angst, dass er irgendwie meine Gedanken lesen kann. Ich habe ihm noch nichts von Will erzählt. Schon beim Gedanken daran, es laut auszusprechen, senkt sich eine bleierne Schwere über mich, sodass ich im Boden versinken könnte.
    » Ich…« Ich schüttle ein paar Mal den Kopf. » Ich weiß nicht, Four. Jedenfalls bin ich jetzt wach. Ich…« Ich kann einfach nicht aufhören, den Kopf zu schütteln. Er streicht über meine Wange und legt einen Finger hinter mein Ohr. Dann beugt er sich zu mir und küsst mich. Ein warmer Schauer durchläuft meinen Körper. Mit beiden Händen umfasse ich seine Arme und halte ihn fest, so lange ich kann. Wenn er mich berührt, spüre ich die Leere in meiner Brust und in meinem Bauch nicht ganz so stark.
    Ich muss es ihm ja nicht sagen. Ich kann einfach versuchen, es zu vergessen– er kann mir helfen, es zu vergessen.
    » Ich weiß«, sagt er. » Tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen.«
    Einen Moment kann ich nichts anderes denken als Was weißt du denn schon? Aber sein Gesichtsausdruck erinnert mich daran, dass er sehr wohl eine Ahnung hat, was Verlust bedeutet. Als er jung war, hat er seine Mutter verloren. Ich weiß nicht mehr, wie sie gestorben ist, ich erinnere mich nur noch daran, dass wir auf ihrer Beerdigung waren.
    Plötzlich fällt mir wieder ein, wie er sich an den Vorhängen in seinem Wohnzimmer festklammerte. Er muss ungefähr neun Jahre alt gewesen sein. Er trug graue Kleidung, seine dunklen Augen waren geschlossen. Aber das Bild in meiner Erinnerung ist verschwommen; vielleicht entspringt es nur meiner Einbildung und nicht meiner Erinnerung.
    Er lässt mich los. » Ich gehe, damit du dich in Ruhe fertig machen kannst.«
    Das Badezimmer für die Frauen ist zwei Türen weiter. Der Boden ist dunkelbraun gekachelt und jede Duschkabine ist mit Holzwänden und einem Plastikvorhang vom Mittelgang getrennt. An der rückwärtigen Wand hängt ein Schild mit der Aufschrift NICHT VERGESSEN : UM WASSER ZU SPAREN , SCHALTEN DIE DUSCHEN NACH FÜNF MINUTEN AB .
    Das Wasser ist eiskalt, sodass ich gar nicht länger duschen will, selbst wenn ich könnte. Ich wasche mich rasch mit der linken Hand und lasse die rechte schlaff herabhängen. Das Schmerzmittel, das Tobias mir mitgebracht hat, wirkt schnell– der Schmerz in meiner Schulter ist nur noch ein dumpfes Pochen.
    Als ich aus der Dusche komme, liegt ein Stapel Kleider auf meinem Bett. Die Sachen sind rot und gelb, die Farben der Amite, es sind aber auch ein paar graue Teile von den Altruan dabei. Farben, die man selten nebeneinander sieht. Wenn ich raten müsste, dann würde ich tippen, dass jemand von den Altruan den Stapel für mich bereitgelegt hat. An so was zu denken, sieht ihnen ähnlich.
    Ich ziehe ein Paar dunkelrote Jeans an– sie sind so lang, dass ich sie dreimal umschlagen muss– und ein graues Altruan-Hemd, das mir viel zu groß ist. Die Ärmel reichen mir bis zu den Fingerspitzen, deshalb kremple ich sie ebenfalls hoch.
    Es klopft an der Tür. » Beatrice?« Gedämpft höre ich Susans Stimme.
    Ich öffne ihr die Tür. Sie trägt ein Tablett mit Essen, das sie auf meinem Bett abstellt. Ich suche in ihrer Miene nach einer Spur des Verlustes, den sie erlitten hat– ihr Vater, einer der Anführer der Altruan, hat den Angriff nicht überlebt–, aber ich sehe nur die stille Entschlossenheit, die meine alte Fraktion auszeichnet.
    » Es tut mir leid, dass die Kleider nicht passen«, sagt sie. » Ich bin sicher, dass wir bessere auftreiben können, wenn die Amite uns erlauben,
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