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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast
Autoren: Sam Millar
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in der Hand das Kleingedruckte in einem Buchvertrag las. Drei gerahmte Fotos seiner Tochter Katie standen augenfällig auf einem großen Mahagonitisch. Eine gravierte Plakette, die auf seinem Schreibtisch lag, lieferte Karl stets unverdauliche Nahrung für seine Gedanken. »Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.« Samuel Beckett.
    »Ich scheitere besser, finde aber trotzdem, dass du ein zynisches altes Aas gewesen bist, Sam.«
    Er fischte zwei weitere Briefe aus der Ablage, beide mit identischem Tenor:
Letzte Mahnung
. Einer war von der Telefongesellschaft, die ihm mitteilte, dass sein Anschluss bis Ende der Woche gesperrt werden würde, sollte die seit drei Monaten überfällige Rechnung nicht bezahlt werden; der andere kam von der Kanzlei Richards & Richards; sie forderten mehr Alimente für Karls Exfrau Lynne.
    »Die Woche fängt ja gut an«, murmelte Karl und warf die Briefe zurück in die chaotische Ablage.
    »Ihre Sekretärin hat mir gesagt, ich soll einfach reingehen. Die Tür stand offen«, sagte ein Mann, der mit dem Mantel über dem linken Arm im Türrahmen stand.
    Der Mann war untersetzt und hatte das schrammige, unrasierte Gesicht eines gescheiterten Boxers. Leberflecke verunzierten eine Seite seines Gesichts wie rostige Tränen. Seine Haut war so grau wie der Inhalt eines Aschenbechers. Dichte Büschel roten Haares krönten seine Knöchel; Karl musste an einen Orang-Utan denken – oder einen Gorilla. Doch die Augen bildeten das alles beherrschende Element im Gesicht des Mannes. Starr. Beunruhigend. Schwarz wie Chitin.
    »Ich bin Bill Munday.« Der Mann lächelte, doch sein Mund bewegte sich kaum.
    Karl streckte die Hand aus. »Ich bin Karl Kane, Mister Munday. Was kann ich für Sie tun?«
    Munday schüttelte Karl die Hand – ein wenig zu übertrieben für Karls Geschmack. Mundays Handfläche fühlte sich an wie die Innereien einer Weihnachtsgans.
    »Ich hoffe, Sie können mir mit einer kleinen Information weiterhelfen, Mister Kane.«
    »Wollen Sie sich nicht setzen? Ich sichte gerade einige Drohbriefe, die einer meiner Klienten von zwei Schlappschwänzen bekommen hat.«
    Munday zog den Stuhl heran, bevor er sich setzte. »Es heißt, Sie seien einer der besten Privatermittler in Belfast«, sagte er. »Und sehr diskret.«
    »Wer bin ich, dem zu widersprechen?« Karl zog eine Zigarette aus dem schwindenden Vorrat in der zerknitterten Packung auf seinem Schreibtisch. Mit der langen, schmalen Flamme eines Einwegfeuerzeugs erweckte er die Kippe zum Leben, bevor er ein Rauchgebet aus den Nasenlöchern ausstieß. Er bot Munday eine Zigarette an.
    »Nein danke. Ich habe schon lange damit aufgehört.«
    »Gut für Sie. Ich wünschte, ich könnte es«, sagte Karl und sog an der Kippe. »Also, was kann ich für Sie tun … Mister Munday?«
    Munday rollte die Zeitung in seinen gewaltigen Pranken auf und blätterte zur Seite vier. »Haben Sie von der Leiche gehört, die gestern im Botanischen Garten gefunden wurde, nicht weit vom Museum entfernt?«, fragte er und reichte Karl die Zeitung.
    Karl überflog die Meldung. »Ich glaube, ich habe im Radio davon gehört«, log er. Die Ergebnisse der Pferderennen zwanzig Seiten weiter interessierten ihn viel mehr, und die Todesanzeigen auf Seite dreizehn, wo er sich einen Überblick über Klienten verschaffte, die nicht mehr aufkreuzen würden. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Munday nickte. »Schwarz, mit vier Stück Zucker.«
    Karl drückte einen Knopf auf der Sprechanlage. »Naomi?«, sagte er. »Zwei Kaffee. Schwarz, vier Stück Zucker für Mister Munday.«
    »Was?«, entgegnete Naomi mit angesäuerter Stimme. »Ich bin Sekretärin – und seit zwei Wochen unbezahlt –, keine Kellnerin. Krieg mal den Arsch hoch, und hol ihn dir selbst!«
    »Die Kaffeemaschine scheint gerade defekt zu sein«, murmelte Karl, ließ schnell die Taste los und führte die Kippe wieder an die Lippen. »Also, die Leiche im Botanischen Garten: Was ist damit?«
    Munday zog den Stuhl näher an den Schreibtisch heran. »Sie müssen mir so viel Informationen wie möglich beschaffen«, flüsterte er. »Um wen es sich handelt; wie er gestorben ist. Das Übliche.«
    Die Kippe stand kurz vor Karls Mundöffnung in der Luft, ehe sie ihren Weg an seine Lippen fortsetzte. Karl sog an der Zigarette und stieß den Rauch aus. »Das Übliche? Hier kommen nicht jeden Tag Leute mit ähnlichen Anliegen reinspaziert, Mister Munday.«
    Munday setzte ein
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