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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Winchester-Geschosse der Serie H Kaliber 22 handelte, dieselbe Munition wie bei den Arrigo-Morden. Diese Einzelheit war nicht ganz so bedeutsam, wie es auf den ersten Blick scheinen mochte, denn das waren die in Italien am häufigsten verkauften Geschosse dieses Kalibers.
    Der Mörder von Borgo San Lorenzo hatte der jungen Frau nicht die Sexualorgane herausgeschnitten. Stattdessen hatte er sie vom Auto weggeschleift und ihren Leichnam mit siebenundneunzig Messerstichen verstümmelt, die sich in einem kunstvollen Muster um ihre Brüste und den Schambereich zogen. Der Mord hatte neben einem Weinberg stattgefunden, und er hatte sie mit einem alten, knorrigen Stück Holz von einem Weinstock penetriert. In keinem der Fälle gab es irgendwelche Hinweise auf sexuellen Missbrauch an den Opfern.
    Spezi schrieb den Aufmacher, während der andere Reporter einen kurzen Artikel zu den Morden von 1974 verfasste.
    Zwei Tage später kam die Reaktion. Die Polizei hatte den Artikel natürlich auch gelesen und die Patronenhülsen der beiden Doppelmorde vergleichen lassen. Die meisten Handfeuerwaffen, abgesehen von Revolvern, werfen die Hülsen aus, nachdem das Geschoss abgefeuert wurde. Wenn der Schütze sich nicht die Mühe macht, sie einzusammeln, bleiben sie am Tatort zurück. Der Bericht des Polizeilabors war eindeutig: Bei beiden Verbrechen war dieselbe Waffe benutzt worden. Es war eine Beretta, Kaliber 22 Long Rifle, ein Modell, das für Sportschützen konzipiert ist. Kein Schalldämpfer. Das entscheidende Detail war ein kleiner Defekt am Schlagbolzen, der eine unverkennbare Markierung am Rand des Geschosses hinterließ, so einmalig wie ein Fingerabdruck.
    Als La Nazione darüber berichtete, gab es eine Sensation. Denn das bedeutete, dass ein Serienmörder in den Florentiner Hügeln herumschlich.

    Die darauf folgenden Ermittlungen brachten eine bizarre Subkultur in den bezaubernden Hügeln um Florenz ans Licht, von der die meisten Einwohner der Stadt nichts geahnt hatten. In Italien leben die meisten jungen Leute bei ihren Eltern, bis sie heiraten, und die meisten heiraten recht spät. Daher ist Sex in irgendwo geparkten Autos eine Art Volkssport. Es heißt, dass einer von drei Einwohnern, die heute in Florenz leben, in einem Auto gezeugt wurde. An jedem beliebigen Abend an den Wochenenden drängten sich in den Hügeln um Florenz förmlich die Autos, geparkt in dunklen Straßen, auf Feldwegen, in Olivenhainen und auf den Feldern der Bauern.
    Die Ermittler stellten fest, dass sich Dutzende von Voyeuren dort draußen herumtrieben und jene Pärchen beobachteten. In der Gegend nannte man diese Voyeure Indiani , also Indianer, weil sie im Dunkeln umherschlichen. Manche waren mit modernster Technik ausgestattet, darunter Parabol- und Saugnapfmikrofone, Tonbandgeräte und Nachtsicht-Kameras. Die Indiani hatten die Hügel in Zonen eingeteilt, die jeweils von einer Gruppe oder einem »Stamm« beherrscht wurden; die Mitglieder sicherten sich die besten Plätze für ihre heimlich belauschten Vorstellungen. Manche Beobachtungsposten waren hoch begehrt, entweder weil sie die Observation aus nächster Nähe gestatteten oder weil man dort meistens »gute Autos« fand. (Ein »gutes Auto« ist genau das, was man sich darunter vorstellt.) Ein gutes Auto konnte auch eine Geldquelle sein, manche davon wurden an Ort und Stelle regelrecht gehandelt wie an einer abartigen Börse – ein Indiano zog sich mit einer Handvoll Scheinen zurück und überließ einem anderen seinen Posten, der sich dann das Finale anschauen konnte. Wohlhabende Indiani bezahlten oft einen Führer, der sie zu den besten Stellen brachte und das Risiko minimierte.
    Dann waren da noch die furchtlosen Leute, die ihrerseits den Indiani nachstellten, eine Subkultur innerhalb einer Subkultur. Auch diese Männer krochen nachts in den Hügeln herum, aber nicht, um Liebespärchen zu beobachten, sondern um Indiani auszuspionieren, ihre Autos, Nummernschilder und andere verräterische Details herauszufinden. Dann erpressten sie die Indiani, indem sie damit drohten, deren nächtliche Aktivitäten ihren Frauen, Familien und Arbeitgebern zu enthüllen. Manchmal wurde ein Indiano in seinem voyeuristischen Genuss durch den Blitz einer nahen Kamera gestört; am nächsten Tag erhielt er dann einen Anruf: »Erinnern Sie sich an den Blitz gestern Nacht im Wald? Das Foto ist gut geworden, Sie sehen darauf großartig aus, und selbst Ihr Cousin zweiten Grades würde Sie sofort erkennen! Übrigens
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