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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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zuvorkommen würden. Also stieg Spezi in seinen Citroën und fuhr den knappen Kilometer zum Polizeipräsidium, einem uralten, heruntergekommenen Gebäude im ältesten Teil von Florenz. Es war vor langer, langer Zeit einmal ein Kloster gewesen, und die winzigen Büros der Ermittler waren die ehemaligen Zellen der Mönche. Spezi hetzte, immer zwei Stufen auf einmal, die Treppe zum Büro des Leiters der Squadra Mobile hinauf. Die laute, mürrische Stimme von Maurizio Cimmino hallte aus seiner offenen Tür den Flur entlang, und Spezi wurde von Grauen erfasst.
    Es war etwas geschehen.
    Spezi fand den Chef der mobilen Einheit der Kriminalpolizei in Hemdsärmeln am Schreibtisch vor, nassgeschwitzt, den Telefonhörer zwischen Kinn und Schulter geklemmt. Im Hintergrund plärrte der Polizeifunk – es waren mehrere Polizisten zu hören, die in starkem Dialekt redeten und fluchten.
    Cimmino entdeckte Spezi in der Tür und fuhr ihn wütend an. »Herrgott, Mario, schon so schnell? Gehen Sie mir ja nicht auf die Nerven, ich weiß bis jetzt auch nur, dass es zwei sind.«
    Spezi tat so, als wüsste er, worum es ging. »Gut. Ich lasse Ihnen Ihre Ruhe. Sagen Sie mir nur, wo sie sind.«
    »Via dell’Arrigo, wo auch immer das sein mag, verflucht … irgendwo in Scandicci, glaube ich.«
    Spezi rannte die Treppe hinunter und rief vom Münztelefon im Erdgeschoss aus seinen Chefredakteur an. Er wusste zufällig ganz genau, wo die Via dell’Arrigo war: Einem Freund von ihm gehörte die Villa dell’Arrigo, ein spektakuläres Anwesen am oberen Ende der schmalen, gewundenen Landstraße, die ihren Namen trug.
    »Fahren Sie da raus, schnell«, sagte sein Chefredakteur. »Wir schicken einen Fotografen.«
    Spezi verließ das Polizeipräsidium und raste durch die verlassenen mittelalterlichen Straßen der Stadt und hinaus in die florentinischen Hügel. Um ein Uhr am Sonntagmittag war die gesamte Bevölkerung nach der Kirche zu Hause und versammelte sich am Esstisch zur bedeutendsten Mahlzeit der Woche in einem Land, wo das Essen in famiglia eine heilige Angelegenheit ist. Die Via dell’Arrigo führte einen steilen Hügel empor, zwischen Weinbergen, Zypressen und Hainen uralter Oliven hindurch. Je höher die Straße zu den bewaldeten Kuppen der Valicaia-Hügel anstieg, desto großartiger wurde die Aussicht, bis man über die Stadt Florenz bis zu den Apenninen dahinter blicken konnte.
    Spezi entdeckte den Carabinieri-Streifenwagen und hielt dahinter am Straßenrand. Alles war still: Cimmino und seine Einheit waren noch nicht eingetroffen, ebenso wenig der Gerichtsmediziner oder sonst jemand. Der Offizier, der den Tatort bewachte, kannte Spezi gut und hielt ihn nicht auf, als dieser ihn mit einem Nicken begrüßte und an ihm vorbeispazierte. Er ging einen schmalen Trampelpfad durch einen Olivenhain hinab, der an einer einsamen Zypresse endete. Direkt dahinter sah er den Schauplatz des Verbrechens, der noch nicht gesichert oder abgeriegelt worden war.
    Die Szene, so erzählte Spezi mir, hatte sich auf ewig in sein Gedächtnis eingebrannt. Die toskanische Landschaft lag unter dem kobaltblauen Himmel vor ihm. Eine mittelalterliche Burg, umrahmt von Zypressen, krönte einen nahen Hügel. In weiter Ferne konnte er durch den frühsommerlichen Dunst die terracottafarbene Kuppel des Duomo über der Stadt Florenz aufragen sehen – das bedeutendste Wahrzeichen der Renaissance. Der Junge auf dem Beifahrersitz schien zu schlafen, den Kopf ans Fenster gelehnt, die Augen geschlossen, das Gesicht entspannt und unbekümmert. Nur ein kleines schwarzes Mal an seiner Schläfe in einer Linie mit einem Loch im gesprungenen Fenster der Fahrertür wies darauf hin, dass hier ein Verbrechen begangen worden war.
    Auf dem Boden im Gras lag eine Handtasche aus geflochtenem Stroh, weit geöffnet und falsch herum, als hätte jemand sie durchwühlt und dann weggeworfen.
    Er hörte das Zischeln von Schritten im hohen Gras, und der Carabiniere trat neben ihn.
    »Die Frau?«, fragte Spezi.
    Der Offizier wies mit einem Nicken hinter den Wagen. Die Leiche des Mädchens lag ein Stück entfernt am Fuß einer kleinen Böschung zwischen bunten Wiesenblumen. Auch sie war erschossen worden und lag auf dem Rücken, nackt bis auf eine Goldkette, die ihr zwischen die leicht geöffneten Lippen hochgerutscht war. Ihre blauen Augen waren offen und schienen überrascht zu Spezi aufzublicken. Alles wirkte unnatürlich gelassen, reglos, keine Anzeichen von Angst oder Kampf waren zu sehen – wie
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