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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition)
Autoren: Gaetano Cappelli
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erhob und ihr durch Haar und Herz wehte, erstanden vor ihrem Geiste Bilder, die ein ganzes Leben in einem einzigen Moment zusammenfassten, genau wie es angeblich kurz vor dem Tod geschieht. Da war der junge Conte Giovanni, der sich mit einer Art Zwerg mit buschigen Augenbrauen unterhielt. Die Kutsche mit demselben Typen und zwei anderen darin. Eine plötzliche Bewegung. Die Schüsse. Der Schatz in den Beuteln. Der Graf inmitten einer bedrohlichen Menge übler Halunken. Sein Kopf auf eine Pike gespießt. Eine Stimme, die sagte: » Du bist … die Person … die Zeit … endlich … «, und in diesem Moment schlug Chatryn die Augen auf und fand sich vor der Büste wieder, die zu ihr sprach: »… ich habe diese Person erwartet … seit Langem … endlich ist sie gekommen … Aber was machst du denn da, schöne Chatryn? Schläfst du am Ende gar?«
    Es war Yarno. Er lächelte sie belustigt an, streichelte ihr über die Wange und sagte: »Man sieht, dass du wirklich müde bist, meine Liebe.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er hinzu: »Entschuldige bitte, wenn ich dich vernachlässigt habe, aber jetzt bin ich ganz für dich da«, und hielt ihr mit einer mehr als anspielungsreichen Geste die Hand hin.
    Von dem niedrigen Steinsitz, auf dem sie offensichtlich eingenickt war, starrte sie ihn benommen an, und plötzlich erschien ihr Yarno Cantini unwiderstehlich, wie es bisweilen geschieht, wenn man von einer Person geträumt hat, die einem zuvor völlig gleichgültig, wenn nicht gar verhasst war.
    Sie streckte ihre Hand aus, und als Yarno sie freudig an sich zog, schmolz sie schon für ihn dahin.
    Genau wie Eleonora
    Als Riccardo in der Nacht aus dem Schlaf hochfuhr, überlegte er lange, wo er sich befand. Das passiert oft auf Reisen oder wenn man eine außergewöhnliche Zeit durchlebt – und auf ihn traf ja beides zu.
    Zunächst vermeinte er, in seinem Bett zu Hause in Potenza zu sein, als wäre es noch die Zeit, in der Eleonora ihn geliebt hatte, und als wäre alles, was geschehen war, nicht geschehen. Er erinnerte sich an das Gefühl der Fremdheit, das ihn beschlichen hatte, wenn er sie nachts ins Bett kommen hörte, während es ihm tagsüber nicht gelang, sie nicht als Teil von sich selbst zu denken. Damals hatte er sich nicht einmal vorstellen können, dass sein Leben ohne sie weitergehen könnte. Doch jetzt war er hier. Allein an diesem unbekannten Ort … ein Himmelbett … das Bett eines Schlosses. Des Schlosses. Aber wiedas? Und Chatryn? Warum war er allein?
    Dann erinnerte er sich plötzlich an alles.
    Zur Abwechslung war es ihm nach dem Abendessen wieder einmal schlecht geworden.
    »Geh nur, Liebling, ich komme später nach«, hatte Chatryn zu ihm gesagt.
    Riccardo schaute auf die Uhr; es war zwei. Und genau wie Eleonora kam auch Chatryn nicht zurück … Aber er war zu müde, um weiter darüber nachzudenken, und schlief sofort wieder ein.
    Am Morgen weckte ihn die Sonne, die durch die Vorhänge aus orangefarbenem Leinen schien. Die Farbe vermittelte Fröhlichkeit. Er schaute zu Chatryns Seite hinüber und sah, dass sie neben ihm lag und ihn anlächelte.
    »Ich habe Lust auf dich, Liebling«, sagte sie.
    Wieder unterwegs
    Ein paar Stunden später waren sie wieder unterwegs. Das Wetter war besonders schön, und es war ein Vergnügen, sich im offenen DS die laue Luft übers Gesicht streichen zu lassen und über die kleinen Nebenstraßen durch die italienische Landschaft zu zockeln, auf der Suche nach diesem oder jenem Weingut, einem nicht alltäglichen Restaurant oder einem abgelegenen Landgasthof. Riccardo entging natürlich nicht, dass Chatryn gelegentlich ein bisschen zerstreut war, aber er machte sich keine weiteren Gedanken darüber, da sie ihn weiterhin begehrte wie am ersten Tag – genauso und noch mehr als zu jener Zeit, die sie zehn Jahre zuvor durchlebt hatten. Und als sie schließlich in der Gegend landeten, wo ihre erste Begegnung stattgefunden hatte, nämlich in der Basilikata, fühlte er sich glücklich und beschwingt und leicht. Während der traurigen Jahre, die auf diese Episode gefolgt waren, hatte Eleonora ihn vergessen lassen, dass man so sein konnte.
    Ihre erste Pause legten sie just in Chiaromonte ein. Es gelang ihnen sogar, wieder im alten Pfarrhaus zu übernachten, und Chatryn ließ auf der ramponierten Orgel wieder ihre Broadwaymelodien erklingen. Am folgenden Morgen spazierten sie durch die Wälder wie einst. Alles war so geblieben, wie es gewesen war, nur dass man jetzt noch
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