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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition)
Autoren: Gaetano Cappelli
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geschah etwas, was Riccardo veranlasste, an jenem Nachmittag allein in die Stadt zurückzukehren und die Frauen seiner Freunde auf dem Land zurückzulassen – dieselben Frauen, in deren Gesellschaft er sich kurz zuvor noch pudelwohl gefühlt hatte –, denn er konnte die x-te Demütigung durch ihre Anspielungen oder, schlimmer noch, ihre mitleidigen Blicke einfach nicht mehr ertragen.
    Eleonora, seine Frau, war endgültig übergeschnappt.
    Eleonora entscheidet sich für die Kunst
    Die Sache hatte damit angefangen, dass der Bürgermeister – dieser gottverdammte Kerl – sie beauftragt hatte, die Leitung des Stadttheaters zu übernehmen, das in Potenza einen doppelten Grund hat, sich Stabile zu nennen, da es nicht nur über ein festes Ensemble verfügt, sondern auch einem einheimischen Musiker gewidmet ist, der ausgerechnet Stabile hieß, Francesco Stabile, und der, wäre er in einer anderen, mit mehr wahren und wirklichen Talenten gesegneten Stadt geboren, wohl nicht einmal als Namensgeber für eine Sackgasse in Frage gekommen wäre. Als Riccardo noch glaubte, als Wissenschaftler reüssieren zu können, hatte diese Tatsache seinen Geltungsdrang noch weiter angestachelt: »Du lieber Himmel, was werden sie erst nach meiner Wenigkeit benennen?«, pflegte er sich mit Hinweis auf die achthundert Seiten seiner Gänse zu brüsten.
    Tatsächlich aber hatte Eleonoras Familie immer schon eine Leidenschaft für das Theater.
    Adalberto Somma, Eleonoras Vater und das letzte Exemplar des klassischen selbstherrlichen Provinzanwalts mit gewaltigem Schnurrbart und einem Spitzbärtchen nach Art des Dichters d’Annunzio, ließ sich selbst von den mittelmäßigsten durchreisenden Theatertruppen in Verzückung versetzen und hegte eine ausgesprochene Vorliebe für die Hauptdarstellerinnen – obschon er sich, sobald sich der Vorhang gesenkt hatte, durchaus auch gern von einfachen Komparsinnen begleiten ließ. Und wenn er seine Tochter »Eleonora« genannt hatte, dann natürlich zu Ehren der göttlichen Duse. Leider war Eleonora seit Beginn ihres Studiums und dann dadurch, dass sie ihren Töchtern diese vier grauenhaften Namen aufzwang, in jeder Hinsicht in die Fußstapfen ihres Vaters getreten.
    Nachdem sie mit einer hochgelobten Arbeit über das elisabethanische Drama ihr Studium abgeschlossen hatte, musste sie für einige Zeit auf den Kunstgeschichteunterricht am örtlichen humanistischen Gymnasium ausweichen, ohne jedoch je von ihrer wahren Leidenschaft zu lassen. Ihre Freizeit widmete sie zunächst der Regie bei einer Laientruppe, die nicht nur drittklassig war, sondern auch noch experimentelle Ambitionen hegte, und engagierte sich dann, ihr angemessener, für das Theaterleben der Stadt. Für Riccardo war die Tatsache, dass er gelegentlich irgendwelchen Abenden hatte beiwohnen müssen, der einzige Schönheitsfehler einer Epoche, die nun, angesichts der Wendung, die die Ereignisse in der Folge genommen hatten, unwiederbringlich vorbei war, denn tatsächlich gab es für ihn nichts Langweiligeres als das Theater. Gerade das »Theatralische« daran, ja allein schon den Gedanken an einen Bühnenauftritt, verabscheute er so sehr, dass er, obwohl für weibliche Schönheit durchaus nicht unempfänglich, diese bei den Schauspielerinnen, deren Affektiertheit er unerträglich fand, nicht goutieren konnte – von seiner Reaktion auf männliche Akteure ganz zu schweigen.
    Eleonora dagegen hatte Letztere immer interessant gefunden und später sogar viel mehr als nur interessant.
    Seit sie die Leitung des Stadttheaters übernommen hatte, konnte man sie in der Tat öfter mit dem jeweiligen Ersten Liebhaber antreffen – oder auch mit dem Zweiten: Hauptsache, er war nicht älter als dreißig – als bei ihren Töchtern zu Hause, von wo sie frühmorgens verschwand, um erst spätabends zurückzukehren. Und so hatte sie ihren Gatten in die traurige, mitleiderregende Rolle eines Babysitters gedrängt.
    Riccardo hatte versucht, sie zur Vernunft zu bringen, indem er ihr erklärte, was man keiner Mutter zu erklären braucht, nämlich wie wichtig ihre Präsenz für die Kinder sei, und sich sogar so weit erniedrigt, dass er ihr, um sie zu rühren, erzählte, dass die Kleinen unablässig nach ihr weinten – obwohl diese vier albernen Fratzen sich gar nichts mehr aus ihrer Abwesenheit machten. Der Einzige, der in der Scheiße saß, war er, Riccardo, und während er jetzt auf der Rückfahrt nach Potenza wieder darüber nachdachte, hatte er in einer Kurve Gas
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