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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin
Autoren: Susanne Kliem
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Gesicht erinnern.«
    Das Display meines Handys, das auf dem Tisch lag, blinkte, ich hatte den Ton abgestellt. Unsere Blicke fielen gleichzeitig darauf. Ich versuchte zu erkennen, ob Gregors Name auf dem Display stand. Aber es war Jörg.
    Â»Gehen Sie doch dran«, meinte Vanessa Ott. Ich fand es unhöflich, das Gespräch zu unterbrechen, nachdem sie mir gerade diese traurige Sache erzählt hatte, aber gleichzeitig platzte ich vor Neugier, was Jörg zu berichten hatte.
    Â»Entschuldigen Sie, das geht ganz schnell.« Ich nahm das Gespräch an. »Jörg? Was ist los?«
    Ich verließ den Tisch und ging zum Ausgang.
    Â»Ich hab einen Vertrag unterschrieben«, rief Jörg. »Die Bombe ist offiziell geplatzt: Ich moderiere ab sofort den Smiling Kids Day!«
    Â»Das ist ja super. Gratulation!«
    Lehners Entscheidung bedeutete einen enormen Imagegewinn für Jörg. Er stieg damit zum Topmoderator des Senders auf. Für uns beide hieß es, dass wir in den nächsten Monaten eng zusammenarbeiten würden. Jörg würde zu den Planungsmeetings nach Berlin kommen.
    Â»Hast du Zeit?«, fragte er. »Mein Flieger geht erst morgen früh. Das müssen wir feiern!«
    Â»Nein, leider … es geht heute nicht. Aber ich freue mich riesig. Wir feiern das nach.«
    Â»Na klar, das machen wir«, sagte Jörg, aber er klang enttäuscht.
    Â»Wann bist du wieder in Berlin?«
    Â»Weiß noch nicht. Okay, bis bald, meine Süße. Ich melde mich.« Wir legten auf.
    Â»Sie strahlen ja so«, meinte Vanessa Ott, als ich zurückkam. »Gute Neuigkeiten?«
    Â»Ja«. Ich erzählte ihr von Jörgs Erfolg. Zur Geheimhaltung gab es keinen Grund mehr, der Vertrag war unterschrieben, und es würde sowieso in Kürze in der Zeitung stehen.
    Â»Das freut mich für ihn«, sagte Vanessa Ott. »Ich hatte das Gefühl, er ist bisher unterschätzt worden.« Sie sah mich an. »Und Sie kennen ihn privat?«
    Â»Wir sind befreundet.«
    Â»Oh, da beneide ich Sie. Gemeinsam mit mindestens fünf Millionen anderer weiblicher Fans.«
    Ich lachte. »Das könnte stimmen.«
    Ihr Gesichtsausdruck wechselte, und ihr Lächeln verschwand. »Was ich Ihnen über meine Mutter erzählt habe … Bitte behalten Sie es für sich, ja? Wir beide kennen uns erst seit Kurzem, und es ist sonst nicht meine Art, andere mit privaten Dingen vollzuschwatzen. Aber Sie geben mir das Gefühl … Sie sind eine so gute Zuhörerin. Das können die wenigsten.«
    Â»Na, ich weiß nicht.« Ich überlegte, was ich sagen konnte, um wieder neutraleren Boden zu gewinnen. »Dann sind Sie also bei Ihrem Vater aufgewachsen?«
    Vanessa Ott schüttelte den Kopf. »Er war selten zu Hause, er war damals Manager bei einem internationalen Unternehmen.« Sie sah an mir vorbei. »Ich hatte Kindermädchen. Eine ganze Riege hab ich verschlissen. Ich glaube, ich war recht schwierig damals.« Sie lachte kurz und bitter auf. »Keine hat es lange mit mir ausgehalten. Bis auf eine. Carola. Die hatte ich jahrelang am Hals. Sie hatte ein Verhältnis mit meinem Vater. Eine dumme und dreiste Person, unfähig, sich um ein pubertierendes Mädchen zu kümmern. Sie hat meinem Vater Lügen über mich erzählt, damit er mich bestraft. Aber letztendlich …«, Vanessas Augen blitzten auf, »hab ich sie fertiggemacht.«
    Â»Und wie?«, fragte ich.
    Â»Sie hat Geld geklaut. Hat vom Haushaltsgeld so einiges abgezweigt. Und das konnte ich Paps irgendwann beweisen. Dann hat er sie entlassen, und ich hab den Haushalt selbst geschmissen. Da war ich fünfzehn. Ich war viel allein.«
    Â»Das war bestimmt schwer für Sie.«
    Â»Sagen wir so, es hat mich abgehärtet.«
    Einen Moment tranken wir schweigend. Ich nahm ein Stück Baguette, zupfte kleine Stückchen ab und kaute sie langsam.
    Â»Nun habe ich uns die Stimmung verdorben«, sagte Vanessa Ott. »Erzählen Sie mir lieber etwas von sich. Hatten Sie eine glückliche Kindheit?«
    Â»Ja«, sagte ich. Im Vergleich zu Vanessas Schicksal musste ich diese Frage bejahen. Meine Mutter war nicht von einem Tag auf den anderen fort gewesen. Und dennoch …
    Ich trete mit den zwei schweren Koffern aus dem Haus. »Mama, das Taxi kommt!« Ich hoffe immer noch, dass sie mich zum Bahnhof fährt. Wir werden uns so lange nicht sehen. »Mama?« Das Haus atmet Stille und
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