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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
Autoren: Natalie Standiford
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Aufregung die einzig angemessene Reaktion war.
    »Mutter, warum?«, fragte Daddy-o.
    »Eine der anwesenden Personen hat mich zutiefst gekränkt«, erklärte Almighty. »Ich werde keine Namen nennen. Doch falls diese Person bis Silvester nicht ihr oder sein Verbrechen in schriftlicher Form bekennt, überschreibe ich euren Anteil an meinem Erbe einer Wohltätigkeitseinrichtung meiner Wahl.«
    »Welcher denn?«, wollte Ginger wissen.
    »Der Hundehilfe«, sagte Almighty.
    Gemeinschaftlich unterdrückten die Sullivans ein Aufstöhnen. Die Hundehilfe verteilte Regencapes an Hunde sozial benachteiligter Besitzer. In einer Stadt voll bedürftiger Menschen und Tiere war es die denkbar sinnloseste Wohltätigkeitseinrichtung. Keiner der Sullivans verstand, warum die Hundehilfe das Geld von Almighty eher verdient haben sollte als sie selbst. Hatten sie Almighty nicht all die Jahre ertragen? Zählte das überhaupt nicht?
    »Reicht die schuldige Partei rechtzeitig ein angemessenes Bekenntnis ein«, fuhr Almighty fort, »werde ich die Familie wieder in mein Testament aufnehmen. Oder es zumindest in Erwägung ziehen.«
    Die Allmächtige hatte gesprochen. Und wenn die Allmächtige ein Bekenntnis verlangte, würde sie ein Bekenntnis bekommen.
    Als das qualvolle Beisammensein endlich überstanden war und die Sullivans wieder zu Hause waren, versammelten sie sich in der Küche zum Familienrat.
    »Wer hat Almighty wohl dermaßen beleidigt?«, überlegte St. John. »Wer von uns kann es gewesen sein?«
    »Eines der Mädchen«, sagte Sully.
    »Eines der Mädchen«, wiederholte Daddy-o.
    »Ganz sicher eines der Mädchen«, stimmte Ginger zu.
    Almighty war immer streng mit den Mädchen. Und dass jedes von ihnen in der letzten Zeit etwas getan hatte, das ihre Großmutter erboste, stand außer Frage.
    So wurde beschlossen, dass die drei Mädchen – Norrie, Jane und Sassy – die Weihnachtsferien damit verbringen würden, umfassende Bekenntnisse ihrer Missetaten niederzuschreiben, die sie Almighty bis Silvester um Mitternacht übergeben würden.
    Danach mussten sie auf das Beste hoffen.



Liebe Almighty,
    ich bekenne mich schuldig.
    Du weißt, was ich getan habe, und Du weißt, warum – ich habe es aus wahrer Liebe getan. Warst Du je verliebt, Almighty? Du warst fünfmal verheiratet – aber warst Du je verliebt? Man kann nichts dagegen tun. Die Liebe ist stärker als man selbst. Sie macht einen hilflos.
    Ich habe versucht, brav und gehorsam zu sein und das Richtige für die Familie zu tun. Aber ich habe mich verliebt. Und deswegen habe ich verrückte Dinge getan. Mehr habe ich zu meiner Verteidigung nicht vorzubringen. Ich werde Dir die ganze Geschichte erzählen, von Anfang an, und hoffe, das wird Dir helfen, mich zu verstehen und mir zu verzeihen. (Und hoffentlich denke ich daran, Kraftausdrücke zu vermeiden. Ich versuche ja, sie mir abzugewöhnen. Aber manche Leute, wie Sully und Jane, klingen ohne Schimpfwörter nicht wie sie selbst. Es kann also sein, dass sich welche eingeschlichen haben. Wenn dem so ist, tut es mir leid.)
    Wenn es meine Familie vor der Armut bewahrt, werde ich wie früher eine pflichtbewusste Tochter sein. Das kriege ich schon hin. Liebe Almighty, wenn Du diese Drohung von uns nimmst, gelobe ich, für den Rest meines Lebens brav zu sein.

Eins
    Für Dich sah es wahrscheinlich aus, als wäre er aus dem Nichts gekommen. Aber jeder kommt irgendwoher. Und es muss nicht zwangsläufig Baltimore sein.
    Wir haben uns im September bei einem Abendkurs an der Hopkins University kennengelernt: Schnelllesen. Ich wollte lernen, schneller zu lesen. An jenem Abend saß ich in der vorletzten Reihe. Ich trug noch immer meine Schuluniform – den dunkelblauen Baumwollpulli mit dem weißen Schriftzug SMPS quer über der Brust.
    Während ich darauf wartete, dass der Kurs anfing, machte ich meine Hausaufgaben in Differenzialrechnung. Der Raum füllte sich und die Dozentin kam rein und begann, etwas über Schnelllesen zu erzählen, aber da ich noch nicht mit den Hausaufgaben fertig war, rechnete ich weiter, während sie redete. Von dem, was sie sagte, bekam ich nicht viel mit – ich hatte seit einiger Zeit Konzentrationsschwierigkeiten; einer der Gründe, warum ich Schnelllesen lernen wollte. Allerdings war das nicht die einzige Ursache dafür, dass ich abgelenkt war. Es lag sicher auch an dieser Hitze, die ich hinter mir spürte. Jemand schien mich zu beobachten. Ich drehte mich leicht nach links und bemerkte einen alten Mann mit
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