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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: John Grisham
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Unter Umständen hätten sie in Nebraska gewinnen können, wenn die First Lady ein dortiges Footballteam nicht »Sooners« genannt hätte – der Spitzname für die Einwohner von Oklahoma.
    Die Nebraska Sooners!
    Morgans Umfrageergebnisse gingen in Nebraska und Oklahoma über Nacht dermaßen in den Keller, dass er sich von dem Absturz nicht erholte.
    In Texas hatte sie von einem nach einem preisgekrönten Rezept zubereiteten Chili probiert und sich anschließend übergeben. Auf dem Weg zum Krankenwagen hatte ein Mikrofon ihre mittlerweile legendären Worte übertragen: »Wie können diese Hinterwäldler nur so einen Fraß essen?«
    Nebraska hatte fünf Wahlmännerstimmen, Texas vierunddreißig. Den Fauxpas mit dem Footballteam hätten sie noch wegstecken können, doch ein Kandidat, dessen Frau sich so despektierlich über texanisches Chili äußerte, war chancenlos.
    Was für ein Wahlkampf! Critz war versucht, ein Buch darüber zu schreiben. Irgendjemand musste den Weg in die Katastrophe dokumentieren.
    Eine fast vierzigjährige Partnerschaft neigte sich ihrem Ende zu. Zweihunderttausend Dollar Jahresgehalt hatten Critz bewogen, einen Job bei einem Unternehmen aus der Rüstungsindustrie anzunehmen. Außerdem wollte er sich als Vortragsreisender betätigen – falls sich Veranstalter fanden, die dumm genug waren, die von ihm geforderten fünfzigtausend Dollar pro Rede zu bezahlen. Er hatte sein Leben dem Dienst an der Öffentlichkeit gewidmet, doch auch er wurde nicht jünger und war außerdem pleite. Er musste Geld verdienen, und zwar schnell.
    Der Präsident hatte sein stattliches Haus in Georgetown mit riesigem Gewinn verkauft und eine kleine Ranch in Alaska erstanden, wo die Menschen ihn offenbar bewunderten. Er hatte vor, den Rest seiner Tage dort zu verbringen und sich dem Jagen und Angeln zu widmen. Vielleicht würde er seine Memoiren schreiben. Was immer er tun würde, die Politik und Washington gehörten definitiv der Vergangenheit an. Er würde nicht den Elder Statesman oder den Ratgeber seiner Partei spielen, der die weise Stimme der Erfahrung sprechen ließ. Keine Abschiedsvorstellungen, keine Parteitagsreden, keine Vorlesungen vor Studenten der Politologie. Keine Präsidentenbibliothek. Die Stimme des Volkes hatte sich laut und überdeutlich Gehör verschafft. Wenn sie ihn nicht wollten, würde er zweifellos auch ohne sie auskommen.
    »Wir müssen entscheiden, was mit Cuccinello passieren soll«, sagte Critz.
    Der Präsident starrte weiter aus einem Fenster in die Finsternis, noch immer in Gedanken an Delaware versunken. »Mit wem?«
    »Mit Figgy Cuccinello, diesem Filmregisseur. Wurde wegen Sex mit einem minderjährigen Starlet verurteilt.«
    »Wie jung war sie?«
    »Fünfzehn, glaube ich.«
    »Ziemlich jung.«
    »Ja. Er ist nach Argentinien geflohen, wo er mittlerweile seit zehn Jahren lebt. Jetzt hat er Heimweh. Er will zurückkommen und weitere grauenhafte Filme drehen. Angeblich ruft ihn die Kunst in die Heimat zurück.«
    »Oder die jungen Mädchen.«
    »Die auch.«
    »Es wäre mir egal, wenn sie siebzehn gewesen wäre, aber fünfzehn ist zu jung.«
    »Er hat sein Angebot auf fünf Millionen erhöht.«
    Der Präsident drehte sich um und schaute Critz an. »Er bietet fünf Millionen für einen Straferlass?«
    »Ja, und er muss schnell Bescheid wissen. Das Geld muss telegrafisch aus der Schweiz überwiesen werden. Da drüben ist es jetzt drei Uhr morgens.«
    »Wohin würde er es überweisen?«
    »Wir haben Offshore-Konten. Ist kein Problem.«
    »Wie würde die Presse reagieren?«
    »Ziemlich eklig.«
    »Journalisten sind immer eklig.«
    »Diesmal würden sie besonders eklig werden.«
    »Eigentlich ist mir die Presse egal«, sagte Morgan.
    Warum fragst du dann?, hätte Critz am liebsten entgegnet.
    »Könnte die Herkunft des Geldes zurückverfolgt werden?«, fragte Morgan, während er sich wieder zum Fenster umdrehte.
    »Nein.«
    Der Präsident kratzte sich mit der rechten Hand am Nacken, wie er es bei schwierigen Entscheidungen immer tat. Einmal, als er fast einen Atomschlag gegen Nordkorea angeordnet hätte, hatte er sich so lange gekratzt, bis Blut auf den Kragen seines weißen Hemdes getropft war.
    »Meine Antwort lautet nein«, sagte er. »Fünfzehn ist zu jung.«
    Die Tür öffnete sich, ohne dass angeklopft worden wäre, und Artie Morgan trat ein, der Sohn des Präsidenten. In einer Hand hielte er eine Flasche Heineken, in der anderen ein paar Papiere. »Hab gerade mit der CIA telefoniert«,
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