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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: John Grisham
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präsentieren.
    »Ich lebe noch! Wenn die CIA mich tot sehen wollte, dann wäre ich tot.« Er nahm einen Schluck Champagner.
    »Suchen Sie sich zuverlässigere Quellen. Ein wenig Rührei, bevor es kalt wird?«
    »Nein, danke.«
    Backman häufte sich eine große Portion Rührei auf einen kleinen Teller und aß, während er von Fenster zu Fenster ging, ohne das Weiße Haus aus den Augen zu lassen. »Das ist mit Trüffeln. Schmeckt wirklich gut.«
    »Nein, danke. Wie oft frühstücken Sie so?«
    »Nicht oft genug.«
    »Kannten Sie Bob Critz?«
    »Natürlich, jeder kannte Critz. Der war so lange im Geschäft wie ich.«
    »Wo waren Sie bei seinem Tod?«
    »In San Francisco bei einem Freund. Ich habe es aus den Nachrichten erfahren. Wirklich traurig. Was hat Critz mit mir zu tun?«
    »Ich bin nur neugierig.«
    »Soll das heißen, dass Sie keine Fragen mehr haben?«
    Sandberg blätterte noch einmal seine Notizen durch, als das Telefon erneut klingelte. Diesmal war es Ollie. Backman versprach zurückzurufen.
    »Unten wartet ein Fotograf«, sagte Sandberg. »Mein Redakteur hätte gern ein paar Bilder.«
    »Natürlich.«
    Joel zog das Jackett an, überprüfte den Sitz seiner Krawatte, seine Frisur und seine Zähne im Spiegel und verleibte sich anschließend eine weitere Portion Kaviar ein. Inzwischen war der Fotograf eingetroffen und packte seine Ausrüstung aus. Während er am Blitzgerät herumfummelte, stellte Sandberg bei eingeschaltetem Rekorder weitere Fragen.
    Am besten gefiel dem Fotografen ein Arrangement, bei dem Joel auf einem burgunderroten Ledersofa saß, über dem ein Porträt an der Wand hing. Sandberg fand es ebenfalls sehr ansprechend. Dann posierte Backman ein paarmal vor den Fenstern, wobei er darauf achtete, dass das Weiße Haus im Hintergrund zu sehen war.
    Das Telefon klingelte immer wieder, bis Joel es schließlich ignorierte. Er hatte mit Neal vereinbart, dass dieser alle fünf Minuten anrief, falls Joel nicht abhob, alle zehn, wenn er an den Apparat ging. Nach zwanzig Minuten Fotoshooting begann sie das permanente Telefonklingeln in den Wahnsinn zu treiben.
    Der Lobbyist war ein gefragter Mann.
    Nachdem der Fotograf seine Arbeit beendet hatte, sammelte er seine Ausrüstung ein und verschwand. Sandberg blieb noch ein paar Minuten, bis er schließlich ebenfalls zur Tür ging. »Der Artikel wird mit Sicherheit morgen auf der Titelseite erscheinen, Mr Backman«, sagte er.
    »Nur damit Sie Bescheid wissen: Ich glaube nicht einmal die Hälfte von dem Unsinn, den Sie mir heute erzählt haben.«
    »Und welche Hälfte wäre das?«
    »Sie waren schuldig, und das galt auch für Hubbard. Er wurde ermordet, und Sie haben sich ins Gefängnis geflüchtet, um Ihr Leben zu retten. Maynard hat Ihre Begnadigung eingefädelt, Arthur Morgan hatte von nichts eine Ahnung.«
    »Gut, diese Hälfte ist auch nicht wichtig.«
    »Und was ist wichtig?«
    »Joel Backman, der Lobbyist, ist wieder da. Das muss auf die Titelseite.«
     
    Maureens Stimmung war deutlich besser. Noch nie hatte sie an ihrem freien Tag eintausend Dollar verdient. Sie führte Mr Backman ins Hinterzimmer, wo er vor dem Geschnatter der Damen vorn im Salon sicher war. Gemeinsam studierten sie Farbtafeln und entschieden sich schließlich für eine pflegeleichte Nuance. »Pflegeleicht« bedeutete für sie die Aussicht auf eintausend Dollar alle fünf Wochen.
    Joel war es egal. Er würde sie nie Wiedersehen.
    Sie färbte das Weiß in Grau um und setzte genügend braune Akzente, um sein Gesicht fünf Jahre jünger wirken zu lassen.
    Doch ob er nun alt oder jung aussah, kümmerte Joel nicht. Eitelkeit spielte keine Rolle. Er wollte nur untertauchen.
36
    S eine letzten Gäste in der Suite trieben ihm die Tränen in die Augen. Neal, der Sohn, den er kaum kannte, und Lisa, die Schwiegertochter, der er noch nie begegnet war, brachten ihm Carrie, die zweijährige Enkelin, von der er bis jetzt nur geträumt hatte. Zuerst weinte die Kleine auch, aber dann beruhigte sie sich, als ihr Großvater sie auf den Arm nahm und ihr das Weiße Haus zeigte. Er wanderte mit ihr von Fenster zu Fenster, von Zimmer zu Zimmer, wiegte sie in den Armen und redete mit ihr, als hätte er Erfahrung mit einem Dutzend Enkelkinder. Neal fotografierte die beiden, aber diese Bilder zeigten einen völlig anderen Menschen. Der auffällige Anzug war verschwunden, Joel trug eine Baumwollhose und ein Flanellhemd. Verschwunden die prahlerische Arroganz, dies war ein einfacher Großvater, der seine
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