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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: John Grisham
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gesteigert hatte. Eine stämmige Friseuse namens Maureen erwartete Joel. Sie war nicht gerade begeistert, dass sie so spät noch arbeiten sollte, aber neugierig, wer so viel Geld ausgab, nur um sich die Haare färben zu lassen.
    Joel bezahlte vorab, bedankte sich bei der Angestellten am Empfang und bei Maureen für ihre Flexibilität und nahm vor einem Spiegel Platz.
    »Erst waschen?«, fragte Maureen.
    »Nein, es muss möglichst schnell gehen.«
    Sie griff mit den Fingern in sein Haar. »Wo haben Sie das machen lassen?«
    »Bei einer Dame in Italien.«
    »An welchen Ton hatten Sie gedacht?«
    »Grau, durchgehend grau.«
    »Naturgrau?«
    »Nein, heller. Fast weiß.«
    Sie sah ihre Kollegin am Empfang an und verdrehte die Augen. Was es nicht alles gab.
    Maureen ging an die Arbeit. Ihre Kollegin verabschiedete sich und schloss die Tür hinter sich ab.
    »Arbeiten Sie morgen?«, fragte Joel nach ein paar Minuten.
    »Nein, morgen ist mein freier Tag. Warum?«
    »Weil ich gegen Mittag noch eine Behandlung brauche. Morgen möchte ich es dunkler haben, um das Grau abzudecken, das Sie jetzt einfärben.«
    Sie hielt in der Bewegung inne. »Was ist denn mit Ihnen los?«
    »Wenn Sie morgen herkommen, zahle ich Ihnen eintausend Dollar in bar.«
    »In Ordnung. Und übermorgen?«
    »Sobald das Grau weg ist, bin ich zufrieden.«
     
    Dan Sandberg hing in seinem Büro in der Redaktion der Washington Post herum, als der Anruf kam. Der Mann am anderen Ende der Leitung stellte sich als Joel Backman vor und sagte, er wolle reden. Das Display von Sandbergs Telefon zeigte eine unbekannte Nummer.
    »Der echte Joel Backman?« Sandberg griff hektisch nach seinem Laptop.
    »Der Einzige, den ich kenne.«
    »Das freut mich. Als ich Sie das letzte Mal gesehen habe, standen Sie vor Gericht und haben sich aller möglichen schmutzigen Geschäfte schuldig bekannt.«
    »Mittlerweile bin ich vom Präsidenten begnadigt worden und habe damit wieder eine weiße Weste.«
    »Ich dachte, Sie würden sich irgendwo am anderen Ende der Welt versteckt halten.«
    »Ja, aber ich hatte die Nase voll von Europa. Meine alten Jagdgründe haben mir gefehlt. Jetzt bin ich wieder da und bald auch wieder im Geschäft.«
    »Welche Art von Geschäft?«
    »Meine Spezialität, natürlich. Genau darüber möchte ich reden.«
    »Mit Vergnügen. Aber ich muss Ihnen Fragen über den Straferlass stellen. Hier überschlagen sich die Gerüchte.«
    »Damit befassen wir uns als Allererstes, Mr Sandberg. Wie wär’s mit morgen früh um neun?«
    »Wann immer Sie wollen. Wo treffen wir uns?«
    »In der Präsidentensuite des Hay-Adams. Wenn Sie wollen, können Sie einen Fotografen mitbringen. Der Lobbyist ist wieder da.«
    Sandberg legte auf und rief Rusty Lowell an, seine beste Quelle bei der CIA. Doch Lowell war unterwegs, und wie üblich wusste niemand, wie man ihn erreichen konnte. Sandberg versuchte es mit einer anderen Quelle in Langley, erfuhr aber nichts.
     
    Whitaker saß in der ersten Klasse des Alitalia-Fluges von Mailand nach Washington. Der Alkohol war kostenlos und floss reichlich. Er tat sein Bestes, um sich zu betrinken. Der Anruf von Julia Javier war ein Schock gewesen.
    »Ist Marco drüben bei Ihnen gesehen worden, Whitaker?«, hatte sie freundlich gefragt.
    »Nein, aber wir halten nach ihm Ausschau.«
    »Ob Sie ihn wohl aufspüren werden?«
    »Ja, ich bin mir sicher, dass er wieder auftaucht.«
    »Die Direktorin ist im Augenblick ziemlich nervös, Whitaker. Sie will wissen, ob Sie Marco finden.«
    »Sagen Sie ihr, sie kann beruhigt sein, wir erwischen ihn schon.«
    »Und wo suchen Sie nach ihm, Whitaker?«
    »In Mailand und in Zürich.«
    »Nun, dann verschwenden Sie Ihre Zeit. Der gute Marco ist nämlich in Washington und hatte heute Nachmittag eine Besprechung im Pentagon. Er ist Ihnen durch die Lappen gegangen, Whitaker. Was glauben Sie, wie wir dastehen?«
    »Wie bitte?«
    »Kommen Sie zurück, Whitaker, und zwar auf der Stelle.«
    Fünfundzwanzig Reihen hinter ihm hing Luigi in der Economyclass in seinem Sitz. Er saß neben einer Zwölfjährigen, die den aggressivsten Rap hörte, der ihm je untergekommen war, und kippte sich soeben den vierten Drink hinter die Binde. Dass er dafür bezahlen musste, war ihm völlig egal.
    Er wusste, dass Whitaker sich vorn in der ersten Klasse gerade überlegte, wie er ihm die Schuld für alles in die Schuhe schieben konnte. Eigentlich hätte er sich eine Verteidigungsstrategie überlegen sollen, aber im Augenblick wollte er
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