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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: John Grisham
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sah, wie Neal Backman die Lobby des Marriott in der 22nd Street betrat. Er rief seinen Vorgesetzten an, und innerhalb von dreißig Minuten befanden sich zwei weitere Agenten im Inneren des Hotels. Albert sah Neal Backman eine Stunde später wieder, als er mit einer Aktentasche aus dem Aufzug kam, die er beim Betreten des Hotels nicht bei sich gehabt hatte. Backman ging zur Rezeption und füllte offenbar ein Anmeldungsformular aus. Dann zückte er die Brieftasche und gab dem Hotelangestellten eine Kreditkarte.
    Er ging zum Aufzug zurück, wo Albert ihn nur um Sekunden verpasste.
    Dass Joel Backman vermutlich im Marriott in der 22nd Street abgestiegen war, war von größter Bedeutung, stellte jedoch ein gewaltiges Problem dar. Zunächst einmal war die Liquidierung eines Amerikaners auf amerikanischem Boden eine so heikle Angelegenheit, dass der Premierminister konsultiert werden musste. Zweitens war sie ein logistischer Albtraum. Das Hotel besaß sechshundert Räume. Hunderte von Gästen, Angestellten und Besuchern hielten sich in dem Gebäude auf, in dem gleichzeitig fünf Kongresse stattfanden. Tausende potenzielle Zeugen.
    Dennoch stand der Plan schon nach kurzer Zeit.
34
    S ie aßen mit dem Senator in einem kleinen vietnamesischen Lokal in der Nähe des Dupont Circle zu Mittag, wo sie nicht damit rechnen mussten, Lobbyisten und alten Bekannten zu begegnen. Falls man sie zusammen sah, konnte das die Gerüchteküche zum Brodeln bringen, die Washington am Leben erhielt, aber gleichzeitig dafür sorgte, dass sich nichts bewegte. Eine Stunde lang kämpften Joel und Neal mit ihren Nudeln, die fast ungenießbar scharf waren, und lauschten den endlosen Geschichten des Fischers aus Ocracoke über seine glorreichen Tage in Washington. Obwohl er immer wieder behauptete, die Politik nicht zu vermissen, waren seine Erinnerungen an die Intrigen jener Zeit voller Humor, und es hatte ihm offenbar nicht an Freunden gemangelt.
    Zu Beginn des Tages war Clayburn noch davon überzeugt gewesen, dass Joel Backman einen Kopfschuss verdiente. Doch als sie sich auf dem Gehsteig vor dem Lokal verabschiedeten, bat er Joel, ihn unbedingt auf seinem Boot zu besuchen. Neal sollte er auch mitbringen. Joel, der seit seiner Kindheit nicht mehr angeln gewesen war, wusste, dass er der Einladung auf die Outer Banks niemals folgen würde, aber er war so dankbar, dass er versprach, es zu versuchen.
    Joel entging dem Kopfschuss nur um Haaresbreite. Während er und Neal nach dem Mittagessen durch die Connecticut Avenue schlenderten, wurden sie vom Mossad beobachtet. Ein Scharfschütze saß einsatzbereit hinten in einem Lieferwagen, aber die endgültige Genehmigung aus Tel Aviv stand noch aus. Außerdem war der Gehsteig sehr belebt.
    Im Hotelzimmer hatte Neal in den Gelben Seiten einen Herrenausstatter gefunden, der Änderungen über Nacht vornahm. Neal war bemüht zu helfen, wo er nur konnte, und sein Vater brauchte unbedingt neue Kleidung. Joel erstand einen marineblauen dreiteiligen Anzug, ein weißes Hemd, zwei Krawatten, ein paar Baumwollhosen und Freizeitkleidung. Besonders dankbar war er für die eleganten schwarzen Schuhe, von denen er sich gleich zwei Paar leistete. Die Rechnung belief sich auf dreitausendeinhundert Dollar, die er in bar bezahlte. Die Bowlingschuhe landeten im Abfalleimer, obwohl der Verkäufer sie gar nicht so schlecht fand.
    Um Punkt sechzehn Uhr saßen sie in einem Starbucks auf der Massachussets Avenue. Neal nahm sein Mobiltelefon heraus und wählte die Nummer, die Major Roland ihnen gegeben hatte. Dann gab er das Telefon an seinen Vater weiter.
    Roland selbst war dran. »Wir sind unterwegs.«
    »Zimmer 520«, sagte Joel, ohne die anderen Gäste aus den Augen zu lassen. »Wie viele kommen?«
    »Einige«, erwiderte Roland.
    »Es ist mir egal, wie viele Leute Sie mitbringen, aber die werden alle in der Lobby bleiben. Außer Ihnen natürlich.«
    »Geht in Ordnung.«
    Die Backmans ließen den Kaffee stehen und gingen zum einen Kilometer entfernten Marriott zurück. Jeder ihrer Schritte wurde von bis an die Zähne bewaffneten Mossad-Agenten beobachtet. Aber Tel Aviv hatte sich immer noch nicht gemeldet.
    Die Backmans waren erst seit ein paar Minuten in ihrem Hotelzimmer, als es an der Tür klopfte.
    Joel warf seinem Sohn einen nervösen Blick zu. Der wirkte nicht weniger besorgt als er selbst. Das kann das Ende sein, sagte Joel sich. Die lange Reise, die auf den Straßen von Bologna ihren Anfang genommen hatte, ihn zu Fuß, im
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