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Die Barbaren

Die Barbaren

Titel: Die Barbaren
Autoren: Hugh Walker
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man schon einigermaßen in die sogenannten zivilisierten Länder vordringen mußte, um auf dergleichen zu stoßen. Und von allen, die hier durch die eisige Öde zogen, war Nottr der einzige, der mit solchen Auswüchsen der Kultur vertraut war.
    Zu Skoppr sagte er: »Warum sind sie aufgebrochen, ohne auf uns zu warten?«
    »Der Omen wegen.«
    »Der Omen wegen?«
    Der Schamane nickte. »Und der Wölfe wegen.«
    »Wir haben an den Spuren gesehen, daß sie hier waren. Sie haben dir nichts getan.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    »Sie sind meine Vertrauten, Nottr. Sie sind Räuber, deshalb sind sie uns verwandt. Deshalb vermag ich ihre Sprache zu verstehen. Es sind die Nächte des vollen Mondes. Das sind ihre Nächte, in denen ihr Zauber am stärksten ist. Da geschieht es, daß sie sich anderen Geschöpfen verwandt fühlen – nicht mit dem Verstand, so wie wir Gemeinsamkeiten sehen mögen, sondern mit der Seele.«
    »Warum sagst du das?«
    »Weil sie in dieser Nacht kamen, um etwas von uns zu holen, dem sie sich magisch verbunden fühlten. Aber ich konnte sie beschwören, und so ließen sie uns ziehen… und ich sehe, sie ließen auch dich ungeschoren…«
    »Ja…«, sagte Nottr nachdenklich. »Ich dachte, es wäre…« Aber er sprach es nicht aus, weil es ihm plötzlich absurd erschien, daß es wirklich Hark gewesen sein sollte. Skopprs Zauber also war es gewesen, dem sie ihr Leben verdankten.
    Dankbar ergriff er den Schamanen an der Schulter. »Olinga hat recht. Du bist ein großer Schamane. Wenn wir erst nach Westen ziehen, werde ich dich nicht von meiner Seite lassen.« Skoppr lächelte schwach.
*
    Ohne Schlitten und Pferde würde es ein langer, mühsamer Weg werden, zurück zum Hauptlager – besonders für Krieger, die es gewohnt waren, auf dem Rücken ihrer Ponys durch die Steppe zu jagen. Am Mittag wärmte die Sonne so kräftig, daß sie die Vorräte mit Eis und Schnee bedecken mußten, was die Last, die sie mitzuschleppen hatten, was die Last auf ihren Reisigschlitten erhöhte. Doch die Kraft der Sonne währte nicht lange, und Wind und eisige Kälte pfiffen ganzen Nachmittag in ihre Gesichter, so daß sie wesentlich langsamer vorwärtskamen, als nötig gewesen wäre, um die Strecke in zehn Tagen zu schaffen.
    Manchmal glaubte Nottr in der Ferne die dunklen Punkte von Wölfen zu sehen, die sie am Rand der Sichtweite begleiteten.
    »Siehst du sie auch?« fragte Urgat.
    »Ja, sind nicht viele… vier oder fünf.«
    »Eine Vorhut wahrscheinlich.«
    »Ja, wahrscheinlich. Sie wollen sich wohl ansehen, was es bei uns zu holen gibt. Dann ist wohl Skopprs Zauber doch nicht so gut, wie er glaubt.«
    »Wir haben keine Furcht, Hordenführer. Du wirst wieder mit ihnen sprechen.« Er meinte es todernst.
    Nottr gab keine Antwort. Er hatte plötzlich eine erschreckende Vision, die seine Zukunft betraf: Wenn er erst mit der Großen Horde in Marsch war, würde jeder von ihm Wunder erwarten.
    Bereits jetzt gab es kaum einen in der Gruppe, der ihn noch Nottr nannte. Sie hatten Urgats anerkennenden Beinamen für ihn mit Begeisterung aufgegriffen:
    Chian’taya – der-mit-den-Wölfen-spricht!
    Er würde sich etwas einfallen lassen müssen, wenn es wirklich noch einmal zu einem Angriff kam. Denn über eines war er sich verdammt sicher: er würde nicht noch einmal die Hand ausstrecken, um einen Wolf zu streicheln.
    Gelegentlich fiel ihm auf, daß auch der Schamane die Wölfe mit Besorgnis beobachtete.
    »Hast du nicht gesagt, daß sie uns in Ruhe lassen werden?«
    »Das werden sie«, sagte er bestimmt. »Wenigstens die meisten von uns…«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Daß das Interesse dieser Wölfe vermutlich dir gilt, Hordenführer… Chian’taya.« Er lächelte über Nottres grimmige Miene.
    »Weshalb sollte das so sein?«
    »Du bist der Vater des Kindes.«
    »Und?«
    »Ich sagte es dir bereits, daß es am Tag des Wolfes in der Stunde des Wolfes geboren ist.«
    »Ja, das hast du gesagt. Deshalb ist es kein Wolf, oder?«
    »Für uns nicht.«
    Nottr starrte ihn sprachlos an.
    »Die Geister haben ihre eigene Logik, und sie ist so wirklich, wie etwas nur sein kann«, fuhr der Schamane fort. »Wenn das Kind ein Wolf ist, so muß es auch der Vater sein und die Mutter, sonst wäre es nicht als Wolf geboren worden…«
    »Wenn ich das verstehen würde, wäre ich ebenso von Sinnen wie du«, knirschte Nottr.
    Skoppr nickte. »Ich kann es dir nicht deuten, Hordenführer. Ein Wolf ist in allen von uns. Am besten, du
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