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Die Barbaren

Die Barbaren

Titel: Die Barbaren
Autoren: Hugh Walker
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Nottrs Unruhe und Besorgnis beträchtlich steigerte, daß er wie ein ergrimmter Bär in der windumtosten Jurte auf und ab schritt, bis sie sich von ihrem Fellager halb aufrichtete und nach seiner Hand griff.
    »Wir sind in keiner Gefahr, Nottr«, sagte sie sanft. »Der Sturm ist auch unser Freund. Urgats Männer, wenn sie uns gefolgt sind, wie du glaubst, haben uns längst verloren.«
    »Ich hätte dich nicht mitnehmen dürfen«, sagte er wild.
    »Du weißt, daß du es tun mußtest. Chipuras Weissagung war eindeutig. Du hast sie dir gut eingeprägt. Daß es ein Sohn wird, mein Nottr, und daß du bei seiner Geburt zugegen sein mußt. Es ist bald soweit. Ein paar Tage, und wir können weiterziehen.«
    »Übermorgen«, sagte er düster, »ist der Tag der Wintersonnenwende. Vor einem Jahr genau schlugen sie die Schlacht im Hochmoor von Dhuannin. Auch das ließ mich Chipura sehen und wissen, daß es nicht gut wäre, wenn mein Sohn an diesem Tag das Licht der Welt erblickt.«
    Sie lächelte ein wenig hilflos. »Ich werde tun, was ich kann.«
    Er grinste plötzlich, und sein zernarbtes Gesicht hellte sich auf. »Ich bin immer noch ein lorvanischer Narr, Chipaw.« Er nannte sie manchmal so, mit dem lorvanischen Namen für das Eichhörnchen. »Man sollte meinen, ich hätte in Mythors Gefolge gelernt, daß zwischen Schamanen und Scharlatan oft nur ein kleiner Schritt liegt, und daß Omen etwas für alte Weiber sind. Ich sollte nicht alles ernst nehmen, was Skoppr mir einzureden versucht.«
    Sie nickte. »Du darfst Skoppr nicht unterschätzen. Er würde kaltblütig töten, wenn seine Geister es ihm rieten, auch dich oder mich.«
    »Vertraust du seinen Kräften?«
    »Ja, Nottr. Er ist ein großer Schamane. Er hat mit Qiraha gelegen, der Geisterkönigin. Alle Schamanen kennen sie, auch Chwum, dessen Dienerin ich war, als du in mein Leben kamst. Nur wenige sind auserwählt, die Kräfte von ihr zu erlernen. Skoppr ist einer der wenigen.« Sie zögerte und fuhr dann fort: »Er hat Angst vor dem, was wir in den Voldend-Bergen finden werden.«
    »Sollte ich ebenfalls Angst haben?« fragte er ernst.
    »Ich weiß es nicht, mein Nottr.«
*
    Nottr ließ seine Gefährtin unter Kelkas Obhut zurück. Kelka war eine junge Kriegerin, die seit Olingas Schwangerschaft als Flankenschwester mit Nottr geritten war. Zu Nottrs Viererschaft gehörte auch Grana, Kelkas Mutter, eine üppige, verschlossene Frau, die mit Speer und Dolch meisterhaft umzugehen wußte. Der vierte in Nottrs Kampfgruppe war Baragg, ein alter Haudegen, der wie Nottr einen großen Teil seines Rückenfells verloren hatte.
    Nottr hatte Glück mit dem Lagerplatz gehabt. In die große Höhle waren sie im letzten Augenblick gestolpert, als der nicht enden wollende Schneesturm losbrach. Seit zehn Tagen hockten sie nun untätig in ihren Zelten.
    So gab es viel Murren und Fluchen, und Nottr dachte sich allerlei aus, um sie allesamt zu beschäftigen. Er ließ die Höhle erkunden, in der sich vielleicht Tiere aufhalten mochten, die sie erlegen und damit ihre Vorräte auffüllen konnten, denn diese begannen bereits zu schwinden. Bären mochten sich für den Winterschlaf hier zurückgezogen haben. Aber sie entdeckten nichts.
    Am Abend des zehnten Tages legte sich der Sturm, und es klarte auf. Sie kämpften sich mühsam durch die hohe Schneewand des Eingangs und starrten erleichtert auf die mondhelle, tiefverschneite Landschaft.
    »So werden wir bei Sonnenaufgang aufbrechen, Nottr?« fragte Baragg.
    Nottr schüttelte den Kopf. »Nein. Wir warten die Geburt meines Sohnes ab. Danach bleibt dies unser Hauptlager. Ich habe beschlossen, mit der Hälfte der Krieger in die Berge hinaufzusteigen und nach dem Zeichen zu suchen. Die anderen werden auf unsere Rückkehr warten und nach Urgats Männern Ausschau halten. Ich traue ihm nicht.«
    Baragg nickte düster. »Ich auch nicht, Hordenführer.«
    »Das liegt daran, daß ihr in meiner Horde seid. Wärt ihr in seiner, würdet ihr mir wohl auch nicht trauen«, erklärte Nottr grinsend.
    Der andere nickte zustimmend. »Schon möglich, Hordenführer. So sind wir Lorvaner nun einmal. Deshalb glaube ich auch nicht, daß dir Urgats Haufen folgen wird, wenn du dieses Zeichen wirklich findest.«
    Nottr wiegte bedächtig den Kopf. Er dachte anders. Der Westen lockte. Milch und Honig flossen dort immer noch, trotz der dunklen Gefahr durch die Caer. Aber Nottrs Ziel war nicht die Eroberung und Plünderung der Westländer. Nicht dafür hegte er diesen Traum eines
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