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Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)
Autoren: Torkil Damhaug
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Taschenlampe auf den trockenen Asphalt, erkannte Glasscherben und Bremsspuren. Das Auto war von Norden gekommen, aus Tangen, nicht aus Dal, wie er anfangs geglaubt hatte. Er eilte die Fahrbahn entlang, bis er die Fahrzeugschlange hinter sich gelassen hatte. Als er einen kleinen Felsen am Wegesrand anstrahlte, sah er, dass er Lackspuren aufwies und von Glassplittern umgeben war.
    Auf der anderen Seite des Grabens hastete er wieder zurück. Zehn Meter von dem Felsen entfernt fand er sie. Sie lag auf dem Rücken und sah vollkommen entspannt aus. Eine junge Frau. Ihr bleiches Gesicht wies keine Schramme auf. Aber ihre weit geöffneten Augen schwammen in zähem, hellrotem Schaum. Erst als er sich zu ihr hinunterbeugte, um ihre Halsschlagader zu ertasten, entdeckte er, dass ein Großteil des Hinterkopfes fehlte.

    Zehn Minuten später, um Viertel vor drei, kam der Hubschrauber. Axel setzte sie davon in Kenntnis, was er bisher getan hatte. Das Mädchen war sofort tot gewesen. Der Fahrer hatte einen gequetschten Brustkorb und vermutlich innere Blutungen. Sie nahmen ihn mit. Axel hielt das Portemonnaie in der Hand, das er unter dem Sitz gefunden hatte. Weißes Leder mit Fellrand, zwei Fächer für Scheine, eines für Karten. Er nahm eine Kreditkarte heraus und hielt sie in das Innenlicht des Einsatzfahrzeugs. Er kannte sie. Sie war ein Jahr älter als Tom. Ihre ältere Schwester war mit Daniel in eine Klasse gegangen. Er hatte zusammen mit der Mutter im Elternbeirat gesessen.
    Axel wandte sich an den Polizeibeamten und zeigte ihm die Karte.
    »Sie kommt hier aus der Gegend«, sagte er, »aus Flaskebekk. Ihre Mutter heißt Ingrid Brodahl, wenn Sie die Familie informieren könnten …«
    Als der Beamte mit eingezogenem Kopf zum Auto zurückging, sah Axel, dass er ein Bein kaum merklich nachzog.
    »Warten Sie!«, rief Axel ihm nach. »Ich muss sowieso nach Tangen zurückfahren. Ich übernehme das.«

5
    Dienstag, 25. September
    A ls das Boot unsanft anlegte, stießen mehrere Passagiere miteinander zusammen. Axel fuhr abrupt aus dem Schlaf und warf einen Blick auf die Uhr. Fünf vor halb acht. Er blieb so lange sitzen, bis die Schlange sich in Richtung Ausgang ein bisschen ausgedünnt hatte. Dann rappelte er sich mühsam auf und stakste mit unsicheren Schritten über die Anlegebrücke. Er hatte nur eine, allenfalls anderthalb Stunden geschlafen. Obwohl ihm ein Spaziergang zu seiner Praxis gutgetan hätte, gab er seiner Erschöpfung nach und nahm sich ein Taxi. Während der Fahrt schloss er die Augen und döste vor sich hin. Die Bilder der Nacht flimmerten an ihm vorbei. Das Auto, dessen Räder aus dem Graben ragten. Das tote Mädchen, das über fünfzig Meter entfernt lag. Der Besuch bei ihrer Familie. Das verschlafene Gesicht im Türspalt, Liss’ Vater. Axel war ihm im Lauf der Jahre mehrmals begegnet. Er war Ingenieur, erinnerte er sich, reparierte Schiffsmotoren und war viel unterwegs. Doch in der vergangenen Nacht war er zu Hause gewesen und hatte durch den Türspalt gespäht, ohne zu wissen, welche Nachricht ihn erwartete.
    Axel schaute auf und sah, dass sie gerade am Dronningpark vorbeifuhren. Die Fahrerin warf ihm im Rückspiegel einen prüfenden Blick zu. Sie hatte schwere Tränensäcke und benutzte ein Parfüm, das nach Schimmel roch.
    »Schwieriger Start in den Tag«, sagte sie. Es war nicht ersichtlich, ob die Bemerkung auf sie selbst oder ihren Passagier gemünzt war.
    Er brummte vor sich hin und schloss erneut die Augen, um sich nicht noch weitere aufmunternde Sprüche anhören zu müssen. In neun Stunden war Feierabend. Irgendwie würde er den Tag schon durchstehen.
    Seit zwölf Jahren betrieb er seine eigene Praxis. Das war wie Klavierspielen. Manchmal musste er improvisieren, doch meistens ging ihm die Arbeit so leicht von der Hand wie eine routinierte Fingerübung, selbst wenn er müde war. Er hatte die Tage nicht gezählt, an denen er in der Praxis erschienen war, ohne in der Nacht zuvor geschlafen zu haben. Er hielt das aus. Doch an diesem Morgen musste er nicht nur gegen die Müdigkeit ankämpfen. Das Gesicht von Liss ließ ihn nicht los. Auf den ersten Blick hatte sie vollkommen unverletzt ausgesehen, als ob sie schliefe. Wie das Gesicht von Marlen, wenn er sich nachts in ihr Zimmer schlich, um sie besser zuzudecken. Doch dann hatte er ihr ins Gesicht geleuchtet und ihre Augen gesehen … Der Vater hatte zusammengesunken auf dem Sofa gesessen und auf den Tisch gestarrt, während er ihm erzählt hatte,
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