Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
KOMME, PETER!«, kreischte Flagg grinsend. Er roch nach Blut und Untergang; seine Augen waren tödliche Feuer. Die Henkersaxt sauste und pfiff durch die Luft, einige letzte Blutstropfen wurden an die Wand geschleudert. » ICH KOMME JETZT! ICH KOMME, UM MIR DEINEN KOPF ZU HOLEN!«
    Höher und höher, immer im Kreis herum. Er war ein Teufel, dem der Sinn nach Mord stand.
    Hundert. Hundertfünfundzwanzig.

121
    »Schneller!«, rief Ben Staad Dennis und Naomi zu. Die Temperatur war wieder gefallen, aber alle drei schwitzten. Teilweise aufgrund der Anstrengung - sie arbeiteten hart. Aber größtenteils schwitzten sie aus Angst. Sie konnten Flagg kreischen hören. Sogar Frisky, mit ihrem tapferen Herzen, fürchtete sich. Sie hatte sich ein wenig zurückgezogen und kauerte winselnd auf den Hinterbeinen.

122
    »ICH KOMME, DU KLEINER NICHTSNUTZ!«
    Er war jetzt näher - seine Stimme deutlicher, der Widerhall nicht mehr so stark.
    »ICH KOMME, UM DAS ZU TUN, WAS ICH SCHON VOR LANGER ZEIT HÄTTE TUN SOLLEN!«
    Die Doppelaxt sauste und heulte.

123
    Dieses Mal hielt der Knoten.
    Ihr Götter, helft mir, dachte Peter und sah noch einmal dorthin, wo Flaggs kreischende Stimme immer lauter wurde. Ihr Götter, helft mir jetzt.
    Peter schwang ein Bein aus dem Fenster. Er saß jetzt auf dem Sims, als wäre dieser Peonys Sattel; einen Fuß hatte er auf dem Boden der Zelle, der andere baumelte draußen über dem Abgrund. Er hatte das Seil und die Eisenstange vom Bett auf dem Schoß. Er warf das Seil aus dem Fenster und sah zu, wie es fiel. Auf halbem Weg verknotete es sich, und er musste kostbare Zeit darauf verwenden, es zu schütteln wie ein Fischer eine Angel, bevor er es freibekam und es weiter fiel.
    Dann sprach er ein letztes Gebet, nahm die Eisenstange und legte sie quer gegen das Fenster. Sein Seil hing von der Mitte hinab. Peter schwang das Bein, das noch im Zimmer war, über den Sims, drehte die Hüfte und klammerte sich an der Stange fest. Jetzt war nur noch sein Gesäß auf dem Sims. Er machte eine halbe Drehung, so dass sich der kalte Sims gegen seinen Bauch presste, und nicht mehr gegen sein Hinterteil. Seine Beine hingen nach unten. Die Stange war fest hinter dem Fenster verkeilt.
    Peter ließ die Stange mit der linken Hand los und umklammerte dann damit das schmale Serviettenseil. Einen Augenblick lang verweilte er so und bekämpfte seine Angst.

    Dann schloss er die Augen, ließ auch mit der rechten Hand die Stange los. Jetzt hing sein ganzes Gewicht an dem Seil. Es war vollbracht. Im Guten wie im Bösen hing sein Leben nun von den Servietten ab. Peter ließ sich langsam hinunter.

124
    »ICH KOMME …«
    Zweihundert.
    »ICH WILL DEINEN KOPF …«
    Zweihundertundfünfzig.
    »MEIN LIEBER PRINZ!«
    Zweihundertundfünfundsiebzig.

125
    Ben, Dennis und Naomi konnten Peter sehen, eine dunkle Gestalt an der gekrümmten Mauer der Nadel, hoch über ihren Köpfen - höher droben, als sich der mutigste Akrobat hinaufwagte.
    »Schneller.« Ben keuchte - wimmerte fast. »Für euer Leben … für sein Leben!«
    Sie machten sich daran, den Wagen noch schneller zu leeren … aber in Wahrheit hatten sie fast alles getan, was sie tun konnten.

126
    Flagg rannte die Stufen hinauf, seine Kapuze fiel zurück, sein strähniges schwarzes Haar wurde aus der wachsweißen Stirn geweht.
    Er war fast da … fast da.

127
    Der Wind war schwach, aber sehr kalt. Er blies gegen Peters bloße Wangen und die bloßen Hände und machte sie taub. Langsam, langsam ließ er sich hinab, mit behutsamer Bedächtigkeit. Er wusste, wenn er sein Abseilen zu schnell bewerkstelligen wollte, würde er abstürzen. Vor ihm glitten ununterbrochen die großen Steinquader vorbei nach oben - sehr bald hatte er den Eindruck, als wäre er ganz still und die Nadel würde sich bewegen. Er atmete in kurzen, flachen Zügen. Kalter trockener Schnee rieselte ihm ins Gesicht. Das Seil war dünn - wenn seine Finger noch tauber wurden, würde er es überhaupt nicht mehr spüren können.
    Wie weit war er?
    Er wagte nicht, nach unten zu sehen.
    Über ihm begannen einzelne, sorgfältig verwobene Fäden sich zu lösen. Das wusste Peter nicht, und vielleicht war es besser so. Die Bruchbelastung war fast erreicht.

128
    »Schneller, König Peter«, flüsterte Dennis. Die drei hatten ihren Wagen ausgeladen, jetzt konnten sie nur noch zusehen. Peter hatte vielleicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt.
    »Er ist so hoch oben«, seufzte Naomi. »Wenn er stürzt …«
    »Wenn er fällt, wird
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher