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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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wenn ich sie sehe, sagt Mrs. Leibowitz.
    Als Dad von der Arbeitsuche nach Hause kommt, packt er sich Margaret auf den Arm und singt ihr was vor:
    Der Winkel war schattig, die Nacht war mondhell,
    Als den Wichtelmann ich fand.
    Die Mütze so rot und die Joppe so grün,
    Und ein Krüglein neben ihm stand.
    Und sein Hammer machte tackeditack
    Auf einem winzigen Schuh.
    Ich muß lachen, wenn ich denk, sie haben ihn erwischt,
    Doch auch der Wichtelmann lachte dazu. Ref 11
    Er spaziert mit ihr in der Küche herum und spricht mit ihr. Er sagt ihr, wie hübsch sie ist mit
ihren schwarzen Locken und den blauen Augen von ihrer Mutter. Er sagt ihr, er nimmt sie mit nach Irland, und sie werden durch die Schluchten von Antrim wandern und im Lough Neagh schwimmen. Bald bekommt er Arbeit, ganz bestimmt, und dann kriegt sie Kleider aus Seide und Schuhe mit Schnallen aus eitel Silber.
    Je mehr Dad Margaret vorsingt, desto weniger weint sie, und wie so die Tage vergehen, fängt sie sogar an zu lachen. Mam sagt, seht euch an, wie er mit diesem Kind auf dem Arm zu tanzen versucht, der mit seinen zwei linken Füßen. Sie lacht, und dann lachen wir alle.
    Die Zwillinge haben geweint, als sie noch klein waren, und Dad und Mam sagten pscht und whscht und hscht und fütterten sie und gingen wieder ins Bett. Aber wenn Margaret weint, ist so ein hochnoteinsames Gefühl in der Luft, und Dad ist in Sekundenschnelle aus dem Bett, drückt sie an sich, tanzt langsam mit ihr um den Tisch, singt ihr vor, macht Geräusche wie eine Mutter. Wenn er am Fenster vorbeikommt, wo die Straßenlaternen hereinscheinen, kann man Tränen auf seinen Wangen sehen, und das ist merkwürdig, weil er nie um jemanden weint, außer wenn er die Getränke zu sich genommen hat und das Lied über Kevin Barry und das Lied über Roddy McCorley singt. Jetzt weint er wegen Margaret, und er riecht gar nicht nach Getränk dabei.

    Mam sagt zu Minnie McAdorey, seit diesem Kind ist er im siebten Himmel. Seit sie geboren ist, hat er keinen Tropfen angerührt. Ich hätte schon viel früher ein kleines Mädchen kriegen sollen.
    Och, sie ist ja aber auch zu süß, sagt Minnie. Die kleinen Jungs sind zwar auch eine Pracht, aber für dich selbst brauchst du ein kleines Mädchen.
    Meine Mutter lacht. Für mich selbst? Herr im Himmel, wenn ich sie nicht stillen müßte, käme ich nicht mal in ihre Nähe, so wie er sie Tag und Nacht an sich preßt.
    Minnie sagt, trotzdem ist es wunderschön, wenn man sieht, wie verzaubert ein Mann von seiner kleinen Tochter ist. Ist ja aber auch kein Wunder, ist denn etwa nicht jeder von ihr verzaubert?
    Jeder.
     
     
    Die Zwillinge können stehen und gehen und haben ständig Unfälle. Ihr Po ist wund, weil sie immer naß und vollgeschissen sind. Sie stopfen sich schmutzige Sachen in den Mund, Papierschnipsel, Federn, Schuhsenkel, und dann ist ihnen schlecht. Mam sagt, wir treiben sie alle in den Wahnsinn. Sie zieht die Zwillinge an, steckt sie in den Kinderwagen, und Malachy und ich gehen
mit ihnen auf den Spielplatz. Das kalte Wetter ist vorbei, und die Classon Avenue rauf und runter sind grüne Blätter an den Bäumen.
    Wir schieben den Kinderwagen in rasender Fahrt über den Spielplatz, und die Zwillinge lachen und machen guu-guu, bis sie Hunger kriegen und anfangen zu weinen. Im Kinderwagen sind zwei Flaschen mit Zuckerwasser, und das stellt sie erst mal ruhig, bis sie wieder Hunger haben und so schlimm weinen, daß ich nicht weiß, was ich machen soll, weil sie so klein sind, und ich würde ihnen so gern alles mögliche zu essen geben, damit sie wieder lachen und die Babygeräusche machen. Sie lieben das Matschessen, das Mam ihnen in einem Topf macht: Brot, in Milch und Wasser und Zucker aufgeweicht. Mam nennt das Brot mit Lecker drauf.
    Wenn ich die Zwillinge nach Hause bringe, schreit Mam mich an, weil ich ihr keine Ruhe gönne oder weil ich Margaret wecke. Wir müssen auf dem Spielplatz bleiben, bis Mam den Kopf aus dem Fenster steckt und uns ruft. Ich schneide den Zwillingen Grimassen, damit sie aufhören zu weinen, und ich schiebe den Kinderwagen durch die Gegend, während Malachy mit Freddie Leibowitz an den Schaukeln spielt. Malachy versucht, Freddie alles darüber zu erzählen, wie Setanta zu Cuchulain wurde. Ich sage ihm, er soll aufhören, diese Geschichte zu erzählen; das ist meine
Geschichte. Er hört aber nicht auf. Ich schubse ihn, und er weint, waah, waah. Das sag ich Mam. Freddie schubst mich, und alles wird dunkel in meinem Kopf, und
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