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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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ich stürze mich auf ihn, mit Fäusten und Knien und Füßen, bis er schreit, he, aufhören, aufhören, und ich höre nicht auf, weil ich nicht aufhören kann, ich weiß nicht, wie, und wenn ich aufhöre, nimmt mir Malachy meine Geschichte weg. Freddie befreit sich von mir und rennt weg und brüllt, Frankie wollte mich umbringen, Frankie wollte mich umbringen. Ich weiß nicht, was ich machen soll, weil ich vorher noch nie jemanden umbringen wollte, und jetzt weint Malachy auf der Schaukel. Bring mich nicht um, Frankie, und er sieht so hilflos aus, daß ich ihn in die Arme nehme und ihm von der Schaukel runterhelfe. Er umarmt mich. Ich erzähl deine Geschichte auch bestimmt nie mehr. Ich sag Freddie nichts über Kuu … Kuu … Ich möchte lachen, aber ich kann nicht, weil im Kinderwagen die Zwillinge weinen, und auf dem Spielplatz ist es dunkel, und was nützt es schon, wenn man im Dunkeln Grimassen schneidet?
    Der italienische Lebensmittelladen ist auf der anderen Straßenseite, und ich sehe Bananen, Äpfel, Apfelsinen. Ich weiß, daß die Zwillinge Bananen essen können. Malachy liebt Bananen, und ich mag sie auch. Aber man braucht Geld. Italiener sind nicht dafür bekannt, daß sie Bananen
verschenken, und schon gar nicht an die McCourts, die ihnen bereits Geld für Lebensmittel schulden.
    Meine Mutter sagt mir ständig, geht nie, nie, nie vom Spielplatz runter, außer wenn ihr nach Hause geht. Aber was soll ich tun, wenn doch die Zwillinge im Kinderwagen vor Hunger plärren? Ich sage Malachy, ich bin gleich wieder da. Ich vergewissere mich, daß niemand kuckt, schnappe mir ein Büschel Bananen von der Auslage vor dem italienischen Lebensmittelladen und renne über die Myrtle Avenue – vom Spielplatz weg, einmal um den Block und auf der entgegengesetzten Seite zurück, wo ein Loch im Zaun ist. Wir schieben den Kinderwagen in eine dunkle Ecke und schälen die Bananen für die Zwillinge. Fünf große Bananen habe ich erwischt, und in der dunklen Ecke fressen wir sie genüßlich in uns hinein. Die Zwillinge mampfen und kauen und sauen sich Gesicht und Haare und Klamotten mit Banane ein. Da wird mir klar, daß man mir Fragen stellen wird. Mam wird wissen wollen, warum die Zwillinge über und über mit Banane vollgeschmiert sind. Wo habt ihr die her? Ich kann ihr nicht sagen, von dem italienischen Laden auf der anderen Straßenseite. Ich werde sagen müssen, ein Mann.
    Das werde ich sagen.
    Dann passiert das Seltsame. Ein Mann steht
am Tor vom Spielplatz. Er ruft mich. O Gott, es ist der Italiener. He, Kleiner, komm mal her. He, ich sprech mit dir. Komm her.
    Ich gehe zu ihm hin.
    Bist du der mit den kleinen Brüdern? Zwillinge?
    Ja, Sir.
    Hier. Eine Tüte Obst. Wenn ich’s euch nicht gebe, schmeiß ich’s weg. Stimmt’s? Also … Nimm die Tüte. Da habt ihr Äpfel, Apfelsinen, Bananen. Ihr mögt doch Bananen, oder? Nehm ich doch an, daß ihr Bananen mögt, was? Haha. Hier, nimm die Tüte. Eine nette Mutter hast du. Dein Vater? Na ja, er hat da dies Problem, diese irische Sache. Gib diesen Zwillingen eine Banane. Damit sie das Maul halten. Die sind ja bis in mein Geschäft zu hören.
    Vielen Dank, Sir.
    Mannomann. Höfliches Kind, was? Wo hast du das gelernt? Mein Vater hat gesagt, ich soll mich immer bedanken, Sir.
    Dein Vater? Sosoo, na jaa …
     
     
    Dad sitzt am Tisch und liest Zeitung. Er sagt, daß Präsident Roosevelt ein guter Mann ist und daß bald alle in Amerika Arbeit haben werden. Mam sitzt ihm gegenüber und gibt Margaret die Flasche. Sie hat diesen strengen Ausdruck im Gesicht,
vor dem ich Angst habe. Wo hast du das Obst her?
    Der Mann.
    Was für ein Mann?
    Der italienische Mann hat es mir geschenkt.
    Hast du dieses Obst gestohlen?
    Malachy sagt, der Mann. Der Mann hat Frankie die Tüte geschenkt.
    Und was hast du mit Freddie Leibowitz gemacht? Seine Mutter war da. So eine nette Frau. Ich weiß nicht, was wir ohne sie und Minnie McAdorey anfangen würden. Und du mußtest den armen Freddie angreifen.
    Malachy hüpft auf der Stelle. Gar nicht wahr. Gar nicht wahr. Er wollte Freddie gar nicht umbringen. Und mich auch nicht. Dad sagt, whscht, Malachy, whscht. Komm her zu mir. Und er schnappt sich Malachy und packt ihn sich auf den Schoß.
    Meine Mutter sagt, geh über den Flur und sag Freddie, es tut dir leid.
    Aber Dad sagt, möchtest du Freddie denn sagen, daß es dir leid tut?
    Nein.
    Meine Eltern sehen sich an. Dad sagt, Freddie ist ein guter Junge. Er hat deinen kleinen Bruder doch nur auf
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