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Die Arena

Titel: Die Arena
Autoren: Stephen King
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sondern wie eine Sportsocke, die so vor Dreck starrte, dass sie von allein stehen konnte. Obwohl The Mill im Südwesten (der Ferse der Socke) das weit größere und wohlhabendere Castle Rock berührte, war es tatsächlich von vier Kleinstädten umgeben, die mehr Fläche, aber weniger Einwohner hatten: Motton im Süden und Südosten; Harlow im Osten und Nordosten; die nicht als Stadtgemeinde eingetragene TR-90 im Norden und Tarker's Mills im Westen. Chester's und Tarker's waren auch als die Twin Mills bekannt und hatten seinerzeit als die Textilindustrie in Mittel- und West-Maine noch blühte den Prestile in eine unbelebte Kloake verwandelt, die ihre Farbe je nach Ort fast täglich gewechselt hatte. Damals konnte man mit einem Kanu in Tarker's Mill in grünem Wasser abfahren und in leuchtend gelbem sein, wenn man Chester's Mill in Richtung Motton verließ. Und falls man ein hölzernes Kanu besaß, war der Anstrich unterhalb der Wasserlinie wahrscheinlich abgelaugt.
    Aber die letzte dieser profitablen Verschmutzungsfabriken hatte 1979 dichtgemacht. Die unheimlichen Farben waren aus dem Prestile verschwunden, und die Fische waren zurückgekommen, wobei jedoch strittig blieb, ob sie für den menschlichen Verzehr geeignet waren oder nicht. (Der Democrat stimmte mit »Ja!«)
    Die Einwohnerzahl der Stadt schwankte saisonbedingt. Zwischen Ende Mai und Anfang September erreichte sie fast fünfzehntausend. In den restlichen Monaten lag sie einen Tick über oder unter zweitausend, je nachdem, wie die Geburts- und Sterbebilanz im Catherine Russell, das als das beste Krankenhaus nördlich von Lewiston galt, gerade ausfiel.
    Hätte man die Sommerleute gefragt, wie viele Straßen nach The Mill hinein- oder von dort hinausführten, hätten die meisten gesagt, zwei: die Route 117, die nach Norway-South Paris führte, und die Route 119 nach Lewiston, die mitten durch Castle Rock verlief
    Wer seit etwa zehn Jahren hier lebte, hätte mindestens acht weitere nennen können: zweispurige Asphaltstraßen von den Black Ridge und Deep Cut Roads, die nach Harlow führten, bis zur Pretty Valley Road (ja, genauso hübsch wie ihr Name), die sich nach Norden in die TR-90 schlängelte.
    Hätte man Leuten, die seit über dreißig Jahren hier lebten, Zeit gegeben, darüber nachzudenken (vielleicht im Hinterzimmer von Brownie's Store, wo noch ein Holzofen bullerte), hätten sie ein weiteres Dutzend mit teils heiligen (God Creek Road), teils profanen Namen (Little Bitch Road, die auf hiesigen Übersichtskarten nur mit einer Nummer bezeichnet war) nennen können.
    Der älteste Einwohner von Chester's Mill an diesem später als Dome Day bezeichneten Tag war Clayton Brassey. Er war auch der älteste Einwohner der Castle County und somit Träger des Spazierstocks der Boston Post. Leider wusste er nicht mehr, was ein Spazierstock der Boston Post war, oder auch nur, wer er selbst genau war. Manchmal verwechselte er seine Ururenkelin Nell mit seiner Frau, die schon vierzig Jahre tot war, und der Democrat hatte vor drei Jahren aufgehört, mit ihm sein alljährliches Interview »mit unserem ältesten Mitbürger« zu führen. (Beim letzten Mal hatte Clayton auf die Frage nach dem Geheimnis seiner Langlebigkeit geantwortet: »Bin ich etwa schon getauft worden?«) Kurz nach seinem hundertsten Geburtstag hatte er angefangen, allmählich senil zu werden; an diesem 21. Oktober war er hundertfünf. Früher war er ein auf Kommoden, Treppengeländer und Formstücke spezialisierter guter Kunsttischler gewesen. Heutzutage gehörte es zu seinen Spezialitäten, Jell-O-Pudding zu essen, ohne ihn sich in die Nase zu kleistern, und es gelegentlich auf die Toilette zu schaffen, bevor er ein halbes Dutzend blutig gestreifter Korinthen ins WC plumpsen ließ.
    Aber in seiner besten Zeit - sagen wir mit fünfundachtzig hätte er fast alle Straßen nennen können, die nach Chester's Mill hinein- oder von dort herausführten, und wäre auf vierunddreißig gekommen. Die meisten waren unbefestigt, viele waren vergessen, und fast alle der vergessenen Straßen führten durch Waldgebiete mit dichtem Sekundärbewuchs, die Unternehmen wie Diamond Match, Continental Paper und American Timber gehörten.
    . Und kurz vor Mittag am Dome Day wurde jede einzelne von ihnen abrupt gesperrt.
     
    2
     
    Auf den meisten dieser Straßen ereignete sich nichts so Spektakuläres wie die Explosion der Seneca V und die daraus entstehende Katastrophe mit dem Langholztransporter, aber es gab Ärger.
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