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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt
Autoren: John Katzenbach
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möglich von dieser Nacht geschehen ist.«
Bei diesen Worten zeigte er Richtung Keller.
    Das leuchtete Little Black ebenso ein wie seinem Bruder. Wortlos schienen die beiden Brüder zu verstehen, worum sie gebeten wurden. Beide nickten.
    »Aber wenn der Mann da nicht tot wär«, sagte Little Black, »dann würde sich keiner für C-Bird und Fireman interessieren. Und auch wohl kaum für uns.«
    »Korrekt«, sagte Dr. Gulptilil steif. »Ich denke, wir verstehen uns.«
    Little Black schien einen Moment lang angestrengt nachzudenken. Dann drehte er sich zu seinem Bruder und zu Francis um und sagte: »Du kommst mit. Wir haben noch was zu erledigen.«
    Er ging Richtung Kellertür voraus und drehte sich noch einmal zu Dr. Gulptilil um, der sich über Peter beugte, die Hände auf seine Wunden presste, um die pulsierende Blutung zu stillen. »Sie sollten den Anruf machen«, sagte Little Black.
    Der Chefarzt nickte. »Beeilen Sie sich«, sagte er. Dann sah Francis, wie Dr. Gulptilil Peter für einen Moment verließ, um zu dem Schreibtisch zurückzukehren, den Telefonhörer ans Ohr zu drücken und eine Nummer zu wählen. Nach ein, zwei Sekunden holte er tief Luft und sagte dann: »Ja. Staatspolizei? Dr. Gulptilil vom Western State Hospital. Ich muss Ihnen mitteilen, dass einer von unseren gefährlicheren Patienten heute Nacht aus der Klinik ausgebrochen ist. Ja, er scheint bewaffnet zu sein. Ja, ich kann Ihnen den Namen und eine Personenbeschreibung geben …« Er sah zu Francis zurück und machte eine Geste mit der Hand, um ihn zur Eile anzutreiben. Draußen kam die Krankenwagensirene in Begleitung des Sicherheitsdienstes immer näher.
     
    Der Regen tröpfelte Francis ins Gesicht, als hätte er für das, was geschehen war, nur Verachtung übrig. Oder er glaubte vielleicht, dachte Francis, er könne die vergangenen Stunden wegwaschen. Er war nicht sicher. Ein wilder Wind peitschte einen Baum in der Nähe hin und her, als sei er über die Prozession schockiert, die da mitten in der Nacht an ihm vorüberzog.
    Big Black hatte sich die Leiche des Engels wie einen unförmigen Seesack über den breiten Rücken geworfen und ging voraus. Direkt hinter ihm marschierte zügig Little Black durch die Nacht, zwei Schaufeln und eine Spitzhacke unter die Arme geklemmt. Francis bildete die Nachhut und bemühte sich, von Little Black zur Eile gemahnt, Schritt zu halten. Hinter ihnen konnte Francis hören, wie der Krankenwagen vor dem Kraftwerk eintraf, und an einer entfernten Wand konnte er den Widerschein seines kreisenden roten Signallichts sehen. Auch ein schwarzer Wagen des Sicherheitsdienstes war vorgefahren und schnitt mit seinen Scheinwerfern einen weißen Bogen in die tintenschwarze nächtliche Welt. Ihr kleiner Trupp befand sich jedoch außerhalb ihrer Sichtweite, und so stapften sie im schwachen Widerschein der Lampen durch die Dunkelheit bis in den hintersten Winkel des Klinikgeländes.
    »Leise«, sagte Little Black, auch wenn die Ermahnung überflüssig war. Francis blickte in den mitternächtlichen Himmel und glaubte zu erkennen, dass er mit kostbarem Ebenholz umrahmt war, als hätte die Hand eines Malers beschlossen, ihn noch dunkler zu gestalten, und daher noch dickere Streifen Schwarz aufgetragen.
    Als Francis den Kopf senkte, sah er sofort, wo es hingehen sollte. Nicht weit von ihnen war der Garten, in dem er an Cleos Seite Blumen gepflanzt hatte. Er folgte den Moses-Brüdern an dem wackeligen Maschendrahtzaun vorbei auf den kleinen Friedhof, wo Big Black ächzend die Leiche des Engels zu Boden warf. Sie schlug dumpf auf, und Francis glaubte, ihm würde schlecht werden von dem Geräusch, doch das war zu seiner Überraschung nicht der Fall. Er sah den Mann an und musste daran denken, dass er ihm zu Lebzeiten sicher schon hundertmal draußen auf einem der Wege oder drinnen in der Kantine begegnet war und bis zu dieser Nacht nicht gewusst hatte, wer sich hinter dem ausdruckslosen Gesicht verbarg. Dann schüttelte er den Kopf und dachte, dass es doch nicht so sein konnte, denn hätte er dem Engel auch nur ein einziges Mal in die Augen geblickt, dann hätte er darin bestimmt das erkannt, was sie in dieser Nacht gesehen hatten.
    Big Black schnappte sich eine der Schaufeln und trat an den kleinen Hügel frisch aufgeschütteter Erde, der Cleos Grab markierte. Francis trat neben ihn, nahm die Hacke und holte damit, ohne ein Wort zu sagen, aus, um sie in den feuchten Boden zu treiben. Er war ein wenig überrascht, wie leicht sie die
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