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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Dirk van Den Boom
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blind auf den älteren Mann zu verlassen. Wenn er sich recht erinnerte, dann war es Neumann gewesen, der ihn sogleich nach Dienstantritt auf die Bedeutung des Veteranen hingewiesen hatte.
Köhler salutierte zackig. Rheinberg sah sich um und grinste.
»Sehen Sie von Klasewitz irgendwo, Köhler?«
»Nein, Herr Korvettenkapitän.«
»Dann lassen Sie das Gehampel. Sagen Sie meinem Burschen Bescheid, dass ich an Bord bin und dass er eine frische Uniform für mich rauslegen soll. Ich will nach dem Mittag eine Musterung durchführen – und ich möchte dabei selbst nicht durchfallen.«
Köhler erwiderte das Grinsen. »Ich greif ihn mir persönlich. Spielt sicher irgendwo Karten.«
»Fein. Und sonst?«
Die Frage klang beiläufig, war allerdings nicht so gemeint. Köhlers Urteil hatte für Rheinberg Gewicht.
»Alles so weit in Ordnung. Feines Schiff, aber das wissen Sie ja. Die Mannschaft ist noch ein wenig durcheinander und muss erst zusammenwachsen, wir haben reichlich Neulinge. Die Admiralität missbraucht uns ein wenig als Schulschiff, habe ich das Gefühl. Das kriegen wir aber hin. Ich würde vorschlagen, dass wir spätestens nach dem Kohlen mit dem Gefechtsdrill beginnen.«
»Lieber noch vorher, doch das schaffen wir wahrscheinlich nicht. Wir müssen vorher ja die Infanterie unterbringen.«
Köhler verzog das Gesicht. »Wenn es wenigstens unsere Jungs wären …«
Rheinberg wusste, dass der Unteroffizier damit die Marineinfanteristen meinte. Er zuckte mit den Schultern.
»Nein, es werden richtige Graue sein. Behandeln Sie sie gut. Es wäre mir lieb, wenn Sie sich einen Feldwebel oder Wachtmeister zur Brust nehmen, ein paar Bier mit ihm kippen und während der Fahrt ein Ohr für die Nöte der Männer entwickeln. Ich kann Überraschungen auf einem ohnehin überfüllten und überladenen Schiff nicht gebrauchen.«
»Jawohl, Herr Korvettenkapitän.«
Rheinberg machte eine winkende Bewegung. Köhler tippte mit dem Zeigefinger gegen die Stirn und wandte sich ab.
Rheinberg seufzte und warf einen Blick auf die Brücke. Neumann klopfte ihm begütigend auf die Schulter.
»Jetzt müssen Sie wohl, Herr Korvettenkapitän.«
»Ja, jetzt muss ich wohl. Wir sehen uns später.«
Neumann nickte und verschwand. Rheinberg begab sich ohne weiteres Zögern auf die Brücke. Der Weg war nicht allzu weit, die Brücke relativ leicht erreichbar. Als er den geräumigen Kommandostand mit dem alles dominierenden Steuerrad betrat, fand er lediglich zwei Personen vor. Steuermannsmaat Börsen stand hinter der Ruderanlage, als befände sich die Saarbrücken auf großer Fahrt gegen die Engländer. Er fixierte das leicht aufgewühlte Hafenwasser mit einer Intensität, als wäre von dort jederzeit das Auftauchen eines Torpedos zu erwarten. Rheinberg rollte mit den Augen. Klasewitz.
Der Zweite Offizier war die andere Person auf der Brücke, ein Sinnbild des kaiserlichen Offiziers, hochgewachsen, muskulös, mit kantigem Gesicht und einem prächtigen Schnurrbart, welcher der Allerhöchsten Bartzier in nichts nachstand. Letzteres war derzeit im Offizierskorps nicht ungewöhnlich; allein die Tatsache, dass Rheinberg sein Gesicht glatt rasiert vorzog, war jedoch genug, um von Klasewitz' Verachtung auf sich zu ziehen. Der Zweite Offizier, der zudem die Position des Artillerieoffiziers innehatte, lächelte maliziös. Obgleich er in der Hierarchie unter Rheinberg stand, war er bei der Beförderung nicht zurückgestellt worden – und sein Adelsrang machte ihn sowieso zu einem besseren Menschen. Rheinberg war von seinem Vater unbedingter Respekt vor dem Adel in die Wiege gelegt worden, trotzdem hatte er in der Kadettenschule seinen Verstand nicht abgegeben. Von Klasewitz war ein aufgeblasener Popanz, der seine Unfähigkeit durch unnötige Strenge und disziplinarische Willkür zu kompensieren suchte. Tatsächlich kannte er sich fast ausschließlich mit seinen Kanonen aus – mit allem anderen, vor allem mit Menschen, eher nicht. Er war so weit gekommen, weil sein Vater bei Hofe ein offenes Ohr fand und weil die Admiralität lieber Adelige in hohen Offizierspositionen sah als Bürgerliche. Daher hatte sich Rheinberg mühsam erarbeiten müssen, was das Schicksal von Klasewitz geschenkt hatte.
»Herr Korvettenkapitän!«
Der Freiherr machte nicht einmal Anstalten, eine korrekte Meldung zu fabrizieren.
Rheinberg deutete mit dem Finger auf Börsen.
»Haben wir neue Befehle erhalten, Herr von Klasewitz?«
Verständnislosigkeit zeichnete sich auf dem Bilderbuchgesicht des
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