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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks
Autoren: Seré Prince Halverson
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den Mund legte und rief: »Wir rudern mit dem Boot an Land. Vorsicht vor Piraten.«
    Ich winkte und bemühte mich, fröhlich zu klingen. »Verstanden. Danke, Lizzie.« Sie nickte ernst. Lizzie Civiletti war keineswegs meine Freundin, was sie mir schon bald nach meiner Ankunft in der Stadt klargemacht hatte. Gleichwohl war sie nicht unfreundlich. Sie würde nicht zulassen, dass die Kinder meine Panik spürten. Und so sehr ich zu ihnen gehen und sie an mich drücken wollte, lächelte ich doch nur, winkte noch einmal und pustete ihnen Luftküsschen zu.

2. Kapitel
    Das Blaulicht auf Franks Wagen warf Kreise auf die kurvenreiche Straße. Ich schloss die Augen, wollte die sanft geschwungenen Hügel nicht sehen, die jetzt in der Sonne leuchteten und mit »überaus glücklichen kalifornischen Kühen« gesprenkelt waren, wie Joe immer sagte.
Es geht ihm gut. Es geht ihm gut. Er ist bloß desorientiert. Er hat sich den Kopf angeschlagen. Er weiß nicht, wo er ist, hat vielleicht eine Gehirnerschütterung. Er irrt am Strand von Salmon Creek umher. Genau! So ist es! Die Welle hat ihn hinausgetragen und weiter unten an der Küste wieder angespült, und da ist er jetzt. Redet mit irgendwelchen Jungs mit Surfbrettern. Wow, Sie sind auf der Riesenwelle geritten? Die Jungen haben ein Feuer gemacht, obwohl überall Verbotsschilder stehen. Sie geben ihm Bier und Hotdogs. Die Brötchen haben sie vergessen, aber es gibt Senf. Er ist ausgehungert. Erinnerungsfetzen blitzen auf. Nach und nach fällt ihm alles wieder ein.
    Wir. Unsere Versöhnung letzte Nacht. Wie wir in der Küche standen und vorsichtig wieder zueinanderfanden, schließlich erleichtert ins Bett fielen. Im Streiten waren wir schlecht, dafür beim Versöhnen medaillenverdächtig. Er hatte mich vom Bauch abwärts geküsst, bis ich stöhnte, meine Schenkel, bis ich wimmerte, und schließlich hatten wir beide der Lust nachgegeben. Später, als ich schon wegdämmerte, hatte er mich auf den Ellbogen gestützt angesehen. »Ich muss dir etwas sagen.«
    Ich kämpfte gegen die Müdigkeit an. »Du willst reden? Jetzt?« Natürlich war es lobenswert, dass er offener sein wollte, aber mein Gott, gleich nach dem Sex? War das nicht eine der nervigsten Taktiken des weiblichen Geschlechts? Ich verhielt mich also wie ein Mann und sagte: »Du kannst mir nicht höchste Wonnen schenken und dann sagen, dass wir reden müssen.« Vermutlich ging es wieder um den Laden, um mehr schlechte Nachrichten.
    »Also gut«, sagte er. »Dann morgen. Lass uns einen Termin festlegen. Ich frage meine Mutter, ob sie die Kinder nehmen kann.«
    »Ohhh. Wir brauchen einen Termin.« Vielleicht ging es ja gar nicht um den Laden, dachte ich, vielleicht gab es ja gute Neuigkeiten.
    Er lächelte und tippte mit dem Finger auf meine Nase. Ich hatte nicht
Nein, wir müssen gleich reden
gesagt. Ich war nicht verärgert. Ich war sofort eingeschlafen.
    Joe konnte gar nicht tot sein, nein, unmöglich. Er aß Hotdogs, trank Bier und unterhielt sich übers Surfen. Er hatte noch etwas mit mir zu bereden. Ich öffnete die Augen.
    Frank raste durch Bodega Bay, vorbei an Fischrestaurants und Souvenirläden und dem weißrosa gestrichenen Süßwarenladen mit Saltwater-Taffys, an dem die Kinder niemals vorbeikamen, ohne stehenzubleiben, und weiter die kurvenreiche Straße entlang der Bucht, wo handgemalte Schilder den fangfrischen Fisch anpriesen und es nach geräuchertem Lachs und Meer und Wildblumen duftete, dann den geschwungenen Kamm hinauf nach Bodega Head, dem Ort, den Joe auf der ganzen Welt am meisten liebte.
    Hier begann der Weg entlang der Klippen, den wir so oft zusammen gegangen waren, auf der einen Seite tief unten das Meer, und auf der anderen die Grasebene mit Küstenblumen – Schafgarbe oder
Achillea borealis
, Rosafarbene Sandverbene oder
Abronia umbellata
–, bis zu den grasbewachsenen Dünen. Joe staunte immer wieder, dass ich nicht nur alle Vögel und Wildblumen kannte, sondern auch ihre lateinischen Namen herunterrasseln konnte – eine Fähigkeit, die ich von meinem Vater geerbt hatte.
    Der Parkplatz war voller Autos, darunter mehrere Streifenwagen, ein Feuerwehrauto, ein Krankenwagen. Am Beginn des Wanderweges stand Joes alter Pick-up, seine »Grüne Hornisse«. Ich nahm das Fernglas, stieg aus Franks Streifenwagen und schlug die Tür zu. Ein Hubschrauber flog mit dröhnenden Rotoren die Küste entlang Richtung Norden – es klang wie ein donnernder, zu schneller und langsam schwächer werdender
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