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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks
Autoren: Seré Prince Halverson
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und bin manchen Leuten zu groß und zu dünn. Aber das Beste ist: Joe mochte alles an mir. Das Innen und das Außen, die Zwischenräume, die ganzen ein Meter siebenundsiebzig. Und da alle meine Spitznamen zur jeweiligen Zeit auf mich gepasst hatten, schwelgte ich in diesem:
Bella
. Das war ich also, fünfunddreißig Jahre alt, schön auf Italienisch und an einem Samstagmorgen dabei, mir einen starken Kaffee und unseren Kindern einen Teller mit Plätzchen und Milch hinzustellen.
    »Plätzchen! Wir wollen Plätzchen!« Die Seefahrer hatten das sinkende Schiff verlassen und nahmen sich – mit weit aufgerissenen Augen, als wären sie am Verhungern – die Milch und Haferplätzchen von der Anrichte. Callie, unsere Hündin, eine gelbe Labrador-Husky-Mischung, die genau wusste, wie sie dreinschauen musste, um herzzerreißend einsam zu wirken, saß so lange da und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden, bis ich ihr einen Hundekeks gab und sie nach draußen ließ. Ich nippte an meinem Kaffee und sah Annie und Zach zu, wie sie sich schmatzend und reichlich krümelnd die Plätzchen in den Mund stopften. Das Vorbild des Krümelmonsters war das Einzige aus der ansonsten lehrreichen
Sesamstraße
, worauf ich gern verzichtet hätte.
    Da uns die Sonne nach draußen lockte, bat ich die Kinder, sich mit dem Anziehen zu beeilen, schlüpfte in meine Shorts und füllte noch schnell die Waschmaschine mit dunkler Wäsche. Ich stopfte gerade die letzte Jeans hinein, als Zach splitternackt und mit seinem Schlafanzug in der Hand angelaufen kam. »Ich mach das selber«, sagte er. Beeindruckt, dass das Kleidungsstück ausnahmsweise mal nicht auf dem Fußboden gelandet war, nahm ich Zach auf den Arm, damit er es in die alte Toplader-Maschine werfen konnte. Sein Po fühlte sich kühl auf meiner Haut an. Bei geöffnetem Deckel sahen wir zu, wie der flauschige blaue Stoff mit den Feuerwehrautos im schaumigen Wasser hin- und hergeworfen wurde. Dann setzte ich Zach wieder ab, und er wackelte durch den Flur davon, wobei er mit den nackten Füßen auf den Holzboden patschte. Bis auf das Schnüren der Schuhe, das Zach erst in ein paar Jahren lernen würde, waren beide Kinder schon erschreckend eigenständig. Annie würde bald in die Grundschule und Zach in den Kindergarten kommen – auch wenn ich noch mit der Vorstellung haderte, sie gehen zu lassen.
    Dieses Jahr sollte ein ganz besonderes werden: Joe würde den Lebensmittelladen, der seit drei Generationen in seiner Familie war, vor dem Untergang retten, und ich würde im Herbst einen Job als Naturführerin bei Fisch- und Wildbeobachtungen antreten. Annie und Zach würden jeden Morgen aus dem Haus gehen und mit immer länger werdenden Beinen immer größere Schritte auf dem Weg heraus aus ihrer Kindheit machen.

    Als ich die beiden kennenlernte, war Annie drei Jahre alt und Zach sechs Monate. Ich hatte San Diego verlassen, um ein neues Leben zu beginnen, doch ohne genaue Vorstellung, wo und wie ich das bewerkstelligen sollte. In Nordkalifornien machte ich in einer kleinen, seltsamen Stadt namens Elbow halt. Elbow lag in einer Fünfundvierziggradbiegung des Redwoods River, was dem Ort den Namen – Ellbogen – eingebracht hatte, wobei Einheimische gern witzelten, er wäre nach den Hörnchennudeln benannt, weil so viele Italiener hier lebten. Ich wollte mir ein Sandwich und einen Eistee kaufen und vielleicht ein bisschen die Füße vertreten, denn ich hatte gelesen, dass es einen Weg hinunter zum Sandstrand am Fluss gab. Doch gerade, als ich zum Lebensmittelladen kam, war ein dunkelhaariger Mann mit einem Baby auf dem Arm im Begriff, die Tür abzuschließen. Das kleine Mädchen, das er an der anderen Hand hielt, riss sich los und lief schnurstracks in mich hinein. Lachend warf es den blonden Schopf nach hinten und streckte mir die Arme entgegen. »Hoch!«
    »Annie!«, rief der Mann. Er war schlank, etwas zerzaust und angespannt, aber definitiv ein schöner Anblick.
    »Ist das in Ordnung?«, fragte ich ihn.
    Er lachte erleichtert. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht?«
Mir etwas ausmachen
? Ich nahm die Kleine auf den Arm, und sie fing sofort an, mit meinem Zopf zu spielen. »Wirklich kein bisschen schüchtern, das Kind«, sagte er. Sie hatte ihre strammen Beinchen um meine Hüften geschlungen, und der Duft von Babyshampoo, von frisch gemähtem Gras, Holzfeuerrauch und Erde stieg mir in die Nase. Ihr nach Traubensaft riechender Atem strich mir über die Wange, und sie hielt meinen Zopf fest in der Faust,
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