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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes
Autoren: Michael Katz Krefeld
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spürte, wie ihre Beine einknickten. Die dunkle Gestalt türmte sich über ihr auf, während ihr das Blut aus der offenen Wunde lief. Sie registrierte nur die Bewegung des Lichtkegels, als die Person erneut mit der Taschenlampe ausholte. Es roch nach Leder und Tabak. Sie erwartete den Schlag und hielt sich instinktiv die Arme über den Kopf. Doch der Schlag blieb aus. Stattdessen hörte sie, wie die Jalousien nach oben schnellten. Sie öffnete die Augen und konnte im letzten Moment einen Blick auf eine verschlissene Lederjacke erhaschen, während sich die Gestalt durch das offene Fenster zwängte.
    Vorsichtig tastete sie nach ihrer feuchten Wunde, rappelte sich auf und schaltete das Licht an. Das Zimmer war völlig verwüstet, der Inhalt von Schubladen und Archivschränken über den Boden verteilt. Ihr war schwindelig, und sie musste sich an der Wand abstützen, während sie zum Waschbecken schwankte.
    Das Bild, das sie im Spiegel sah, erschreckte sie. Zwar war
sie den Anblick von Blut gewohnt, aber nicht in ihrem eigenen Gesicht. Auf der linken Seite ihrer Stirn befand sich ein tiefer Riss. Mindestens sieben Stiche, dachte sie und tupfte die Wunde vorsichtig mit einer Handvoll Papiertücher ab. Sie musste die Polizei verständigen, obwohl sie am liebsten direkt nach Hause gefahren und ins Bett gegangen wäre.

4
    Kommissar Arne Blindheim besah sich genau das Fenster, durch das der Täter in die Praxis eingestiegen war. Blindheim war kleiner, als sie sich vorgestellt hatte – diesen Eindruck hatte sie jedes Mal, wenn sie jemandem begegnete, den sie aus dem Fernsehen kannte. An der Tür war ein Polizeiassistent damit beschäftigt, die Fingerabdrücke am Lichtschalter zu sichern. Maja hatte bereits darauf hingewiesen, dass sie dort in jedem Fall ihre eigenen finden würden. In diesem Moment winkte der Kommissar den Assistenten zu sich ans Fenster.
    Â»Untersuch den gesamten Fensterrahmen. Irgendwo muss er sich abgestützt haben.«
    Dann wandte sich Blindheim an Maja, die hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte.
    Â»Der Einbruch ist professionell ausgeführt worden«, stellte er fest.
    Â»Aha.«
    Â»Der Täter wusste genau, wie er hier reinkommt, ohne die Alarmanlage zu aktivieren.« Der Kommissar deutete auf den Fensterrahmen. Sie beugte sich vor, um seinen Erläuterungen besser folgen zu können.
    Â»Er hat ein Loch in die Scheibe geschnitten und mit diesem Stück Kabel quasi einen Bypass gelegt. Mit einem Stift hat er das Kabelende angehoben, das durch eine Krokodilklemme mit den dünnen Kupferdrähten der Alarmanlage verbunden war. Danach konnte er das Fenster öffnen, ohne den Alarm auszulösen.«
    Sie bemerkte, dass Blindheim mokkabraune, spitze Cowboystiefel
trug. Ein auffälliges Detail seiner ansonsten sehr unauffälligen Garderobe.
    Â»Ein Raumalarm hätte ihm den Einbruch erschwert«, bemerkte er mit dem Anflug eines Vorwurfs in der Stimme.
    Â»Ich werd’s ausrichten.«
    Der Kommissar brummte und blätterte in seinem Notizbuch.
    Â»Sie sagten, der Täter sei mittelgroß gewesen und habe eine Lederjacke getragen. Sind Sie sicher, dass Ihnen nicht noch mehr aufgefallen ist?«
    Er schaute sie forschend an.
    Â»Es war dunkel und alles ging sehr schnell.«
    Er gab ein weiteres Brummen von sich, dessen Bedeutung sie nicht entschlüsseln konnte.
    Doch plötzlich fiel ihr noch etwas ein. »Er roch nach Tabak.«
    Â»Zigaretten?«
    Sie zuckte die Schultern. »Der Geruch hatte etwas Süßliches, vielleicht Pfeifentabak oder selbstgedrehte Zigaretten.«
    Blindheim notierte sich ihre letzte Bemerkung nicht, sondern schaute sich in dem verwüsteten Raum um. »Ist etwas gestohlen worden? Medikamente? Geld? Persönliche Gegenstände?«
    Maja schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Andererseits habe ich mir noch keinen genauen Überblick verschafft.«
    Blindheim klappte das Notizbuch zu und steckte es wieder in die Tasche.
    Â»Die Art des Einbruchs lässt darauf schließen, dass es sich um einen Drogenabhängigen handelt, der sich irgendwelche Medikamente beschaffen wollte. Vielleicht jemand, der sich hier schon ein bisschen auskennt …« Erneut bedachte er sie mit diesem forschenden Blick, der ihr ganz und gar nicht gefiel. »Wäre es möglich«, fuhr er fort, »dass sich einer
Ihrer Patienten hier mal außerhalb der Praxiszeiten umsehen
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