Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Autoren: Washington Irving
Vom Netzwerk:
darf ich des alten magern Alguazil in einem kurzen schwarzen Mantel nicht vergessen, der an nichts, was um ihm vorging, Theil nahm, sondern in einem Winkel saß, und emsig bei’m trüben Licht einer großen kupfernen Lampe schrieb, welche in den Tagen des Don Quixote eine Rolle gespielt haben mochte.
    Ich schreibe keinen regelmäßigen Reisebericht, und beabsichtige keine Schilderung der mannigfaltigen Begegnisse unserer mehrtägigen Streifereien über Thäler und Höhen, Niederungen und Berge. Wir reiseten auf echte Schleichhändlerweise, indem wir alles das Rauhe wie das Freundliche hinnahmen, wie sich’s fand, und mit allen Klassen und Ständen in einer Art landstreicherischer Genossenschaft verkehrten. Dieß ist die rechte Weise, in Spanien zu reisen. Da wir die Spärlichkeit der Speisekammer der Wirthshäuser und die öden Landstriche kannten, welche der Reisende oft durchziehen muß, sorgten wir bei der Abreise, daß die Alforjas oder Sattelsäcke unseres Knappen mit kaltem Mundvorrath gut versehen, und sein Bota oder lederne Flasche, die einen stattlichen Umfang hatte, bis zum Hals mit ausgesuchtem Valdepenas-Wein gefüllt war. Da dieser Kriegsvorrath für unsern Feldzug sogar wichtiger war, als sein Trabuco, ermahnten wir ihn, ein wachsames Auge darauf zu haben, und ich muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, und sagen, daß sein Namensvetter, der 1eckere Sancho, selbst ihn als sorglichen Proviantmeister nicht übertreffen konnte. Obschon die Alforjas und die Bota auf der Reise wiederholt und kräftig angegriffen wurden, schienen sie doch die wunderbare Eigenschaft zu haben, daß sie nie leer wurden; denn unser wachsamer Knappe sorgte, daß alles, was von unserer Abendmahlzeit in den Wirthshäusern übrig blieb, eingepackt und für die Zwischenmahlzeit des nächsten Tags aufgehoben wurde.
    Welche üppigen Nachmittagsmahle hielten wir auf dem grünen Rasen, zur Seite eines Bachs oder Brunnens, unter einem schattigen Baum! und dann welche köstliche Siesta’s auf unsern Mänteln, die wir auf das Grün breiteten!
    Wir hielten eines Nachmittags, um ein Mahl dieser Art uns zu nehmen. Es war auf einer freundlichen, kleinen, grünen Wiese, von Hügeln umgeben, die mit Olivenbäumen bedeckt waren. Unter einer Ulme, am Rand eines sprudelnden Bächleins, waren unsere Mäntel ausgebreitet; auf einem grasigen Platz weideten die los angebundenen Pferde, und Sancho brachte seine Alforjas mit triumphirender Miene. Sie enthielt die Beisteuer von vier Reisetagen, hatte sich aber dadurch ungemein vermehrt, daß ein gut versehenes Wirthshaus zu Antequerra am vergangenen Abend neuen Vorrath lieferte. Unser Knappe zog den verschiedenartigen Inhalt allmählig hervor, und schien nicht zum Ende kommen zu können. Zuerst erschien ein gerösteter Bocksschlegel, der durch das Aufheben nicht viel schlechter geworden war; dann ein ganzes Rebhuhn; dann ein großes Stück gesalzenen Stockfisches, in Papier gewickelt; dann der Rest eines Schinkens, dann ein halbes Huhn mit verschiedenen Broden und einem bunten Haufen von Orangen, Feigen, Rosinen und Wallnüssen. Auch seiner Rota war mit trefflichem Malaga-Wein nachgeholfen worden. Bei jedem neuen Zug aus dem Sacke ergötzte er sich an unserm scherzhaften Staunen, warf sich zurück auf das Gras und lachte wie ein Kind. Dem einfach-gutmüthigen Burschen gefiel nichts mehr, als wegen seiner Leckerhaftigkeit mit dem berühmten Knappen des Don Quixote verglichen zu werden. Er war in der Geschichte des Don sehr belesen, und hielt sie, wie die meisten gemeinen Leute in Spanien, für eine wahre Historie.
    »Alles das hat sich aber doch vor langer Zeit zugetragen, Sennor?« fragte er mich eines Tages mit forschendem Blick.
    »Vor sehr langer Zeit,« war die Antwort.
    »Ich glaube wohl, vor mehr als tausend Jahren?« immer noch zweifelhaft aussehend.
    »Ich glaube wohl nicht weniger.«
    Der Knappe war zufrieden gestellt.
    Während wir, wie gesagt, unser Mahl hielten, und uns an dem einfach drolligen Wesen unsers Knappen belustigten, näherte sich uns ein Bettler, der fast das Aussehen eines Pilgers hatte. Er war augenscheinlich sehr alt, hatte einen grauen Bart und stützte sich auf einen Stab, doch hatte das Alter ihn noch nicht gebeugt; er war groß und grade, und zeigte die Trümmer einer schönen Gestalt. Er trug einen runden andalusischen Hut, eine Jacke von Schafspelz und lederne Hosen, Kamaschen und Sandalen. Seine Kleidung war alt und geflickt, aber anständig, sein Benehmen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher