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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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stark gebaut, mit kräftigen römischen Gesichtszügen, schön, obgleich leicht von den Blattern zerrissen, mit einem freien, kühnen und etwas anmaßenden Wesen. Sein kräftiges schwarzes Pferd war mit Trodeln und fantastischem Putz geschmückt, und ein Paar weitgemündete Büchsen hingen hinter dem Sattel. Er hatte das Ansehen eines jener Schleichhändler, welche ich in den Bergen von La Ronda gesehen hatte, und stand offenbar im Einverständniß mit dem Bruder der Wirthin; ja, wenn ich nicht irre, war er ein Liebling der Wittwe. Das ganze Wirthshaus und seine Bewohner hatte in der That etwas von schleichhändlerischem Ansehen, und die Büchse stand in einem Winkel neben der Guitarre. Der Reiter, dessen ich gedachte, brachte seinen Abend in der Posada zu, und sang mehrere kecke Gebirgslieder mit vieler Lebhaftigkeit. Während wir zu Nacht aßen, kamen zwei arme Asturier herein, und baten um Speise und Nachtherberge. Sie waren auf einem Markt im Gebirge gewesen, Räuber hatten sie auf dem Rückweg angefallen, ihnen ein Pferd genommen, das ihren ganzen Waaren-Vorrath trug, sie ihres Geldes und des größten Theils ihrer Kleidung beraubt, sie geschlagen, weil sie sich widersetzt, und sie fast nackt auf der Straße gelassen. Mein Gefährte befahl mit dem raschen Edelsinne, der ihm eigen, daß man ihnen Nachtessen und ein Bett geben solle, und schenkte ihnen eine Summe Geldes, damit sie ihre Heimath erreichen könnten.
    Mit dem Vorschreiten des Abends vermehrten sich die Personen des Drama’s. Ein dicker Mann, ungefähr sechzig Jahre alt, von kräftiger Gestalt, kam herein, um mit der Wirthin zu schwatzen. Er war in der gewöhnlichen andalusischen Tracht, hatte aber einen großen Säbel unter dem Arme stecken; er trug einen großen Schnurrbart und hatte ein etwas großthuerisches, windiges Wesen. Alles schien ihn mit großer Ehrerbietung zu behandeln.
    Unser Bursche Sancho flüsterte uns zu, es sey Don Ventura Rodriguez, der Held und Kämpe von Loxa, berühmt wegen seiner Kühnheit und der Kraft seines Armes. Zur Zeit des französischen Einfalls überraschte er sechs Reiter, die eingeschlafen waren; er brachte erst ihre Pferde in Sicherheit, griff sie dann mit seinem Säbel an, tödtete einen und nahm die übrigen gefangen. Wegen dieser That bewilligte ihm der König eine Peseta (den fünften Theil eines Duro oder Thalers) täglich, und verlieh ihm den Titel eines Don.
    Es ergötzte mich, das hochfahrende seiner Sprache und seines Benehmens zu beachten. Er war sichtbar ein ächter Andalusier, so prahlerisch als brav. Sein Säbel war stets in seiner Hand oder unter seinem Arm. Er trägt ihn überall mit sich herum, wie ein Kind sein Spielzeug, nennt ihn seinen Santa Teresa und sagt, wenn er ihn ziehe,
»trempla la tierra«
zittere die Erde.
    Ich saß bis spät in die Nacht da, und lauschte den vielfachen Gesprächen dieser bunten Gruppe, welche mit der Rückhaltslosigkeit einer spanischen Posada mit einander verkehrten. Wir hörten Schleichhändlerlieder, Räubergeschichten, Guerillathaten, und maurische Legenden. Die letzteren waren von unserer schönen Hausfrau, welche einen poetischen Bericht von den Infiernos, oder den Höllenlegionen von Loxa mittheilte – dunkle Höhlen, in denen unterirdische Ströme und Wasserfälle einen geheimnisvollen Ton hervorbringen. Das gemeine Volk sagt, es seyen dort Geldmünzer seit der Zeit der Mauren eingeschlossen, und die maurischen Könige bewahrten ihre Schätze in diesen Höhlen.
    Wenn es der Zweck dieses Werkes wäre, könnte ich alle seine Blätter mit den Begebenheiten und Scenen unserer Wanderung anfüllen; aber mich ladet ein anderer Vorwurf ein. Auf diese Weise reisend, kamen wir endlich aus dem Gebirge, und betraten die schöne Vega von Granada. Wir verzehrten hier unser letztes Mittagsmahl unter einer Gruppe von Olivenbäumen, am Rand eines Bächleins, die alte maurische Hauptstadt in der Entfernung, und von den röthlichen Thürmen der Alhambra [Fußnote: d. h. die rothe (Burg), so genannt, weil die Strahlen der Sonne sich dort zuerst des Morgens röthen, oder wegen der Farbe des Gesteins, aus dem sie gebaut ist.] belebt, während ferne darüber die schneeigen Gipfel der Sierra Nevada wie Silber glänzten. Der Tag war ganz wolkenlos, und die Hitze der Sonne durch den kühlen Wind aus dem Gebirge gemäßigt; nach dem Mahle breiteten wir unsere Mäntel aus, und hielten unsere letzte Siesta, von dem Gesumm der Bienen in den Blüthen und dem Girren der Ringeltauben in den
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