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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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vielleicht,« sagte ich, »ein Nachkomme des großen Kardinals Ximenes?« –
»Dios sabe!
das weiß Gott, Sennor. Es kann seyn. Wir sind die älteste Familie in der Alhambra, –
Christianos viejos,
alte Christen, ohne einen Mackel von Mauren oder Juden. Ich weiß, daß wir irgend einer großen Familie angehören, aber ich vergaß, welcher. Mein Vater kennt das alles genau: denn er hat das Wappenschild in der Hütte, droben in der Veste, aufgehängt.« Es gibt keinen noch so armen Spanier, der nicht einige Ansprüche auf eine hohe Abstammung hätte. Die erste Bezeichnung dieses zerlumpten Herrn hatte mich jedoch vollkommen gewonnen, so daß ich die Dienste des »Sohnes der Alhambra« gern annahm.
    Wir kamen jetzt in eine tiefe, enge Schlucht, mit schönem Gebüsch angefüllt, und zu einem steilen Aufweg, und vielen Fußpfaden, die sich durch denselben wanden, mit steinernen Sitzen zur Seite und mit Brunnen verziert. Zu unserer Linken sahen wir die Thürme der Alhambra über uns emporragen; zur Rechten, auf der entgegengesetzten Seite der Schlucht, überragten uns gleichfalls zwei aufstrebende Thürme auf der felsigen Höhe. Wir hörten, dies seyen die Torres vermejos, oder die rothen Thürme, wegen ihrer Farbe so genannt. Man kennt ihren Ursprung nicht. Sie sind viel älter als die Alhambra: einige glauben, sie seyen von den Römern erbaut worden, andere, von einer wandernden Kolonie der Phönizier. Indem wir den steilen und schattigen Aufgang hinaufstiegen, kamen wir an den Fuß eines großen, viereckigen maurischen Thurms, der eine Art von Warte bildete, durch die der Haupteingang in die Veste führte. In der Warte war eine zweite Gruppe alter Invaliden, deren einer am Portal Wache stand, während die andern, in ihre zerfetzten Mäntel gehüllt, auf den steinernen Bänken schliefen. Dieses Portal heißt man das Thor der Gerechtigkeit, von dem Gerichte, welches während der mohamedanischen Herrschaft zum unmittelbaren Richterspruch über kleine Streitsachen in dem bedeckten Gang desselben gehalten wurde, eine Sitte, welche der orientalischen Nation gemein ist und auf die in der heiligen Schrift gelegentlich angespielt wird.
    Die große Vorhalle, oder den Thorgang bildet ein unermeßlicher arabischer Bogen, in Form eines Hufeisens zur halben Höhe des Thurmes emporspringend. Auf dem Schlußstein dieses Bogens ist eine riesige Hand eingehauen. In dem Gange, auf dem Schlußstein des Portals, ist in gleicher Art ein gigantischer Schlüssel zu sehen. Die, welche einige Kenntniß von den mohamedanischen Symbolen zu haben glauben, behaupten, die Hand sey das Sinnbild der Wissenschaft, der Schlüssel das des Glaubens; der letztere, sagen sie, sey auf der Fahne der Mosleminen zu sehen gewesen, als sie Andalusien unterjochten – ein Gegenstück zu dem christlichen Sinnbild des Kreuzes. Eine andere Erklärung gab uns aber der rechtmäßige Sohn der Alhambra, die auch mehr in Einklang mit den Ansichten des gemeinen Volkes war, an alles, was maurisch ist, etwas Geheimnißvolles und Magisches knüpft und jede Art Aberglauben mit dieser alten mohamedanischen Veste verbindet.
    Mateo zufolge war es eine von den ältesten Bewohnern herrührende Sage, die er von seinem Vater und Großvater gehört hatte, daß die Hand und der Schlüssel magische Bilder seyen, von denen das Schicksal der Alhambra abhänge. Der maurische König, der sie gebaut, sey ein großer Zauberer gewesen, oder habe sich, wie einige glauben, dem Teufel verschrieben gehabt und habe die ganze Veste unter einen Zauberbann gelegt. Dadurch war sie mehrere hundert Jahre gestanden, trotz Stürmen und Erdbeben, während fast alle andern maurischen Gebäude zerfallen oder verschwunden wären. Dieser Zauber, ging die Sage weiter, würde dauern, bis die Hand an den äußern Bogen nieder reiche und den Schlüssel ergreife, wo denn das ganze Gebäude in Trümmer zerfallen und alle von den Mauren unter demselben vergrabenen Schätze an das Licht kommen würden.
    Trotz dieser unheilschwangern Prophezeiung wagten wir es, durch den bezauberten Thorweg zu schreiten, indem wir ein wenig Zuversicht gegen die Zauberkünste in dem Schutze der Jungfrau fanden, von der wir eine Statue über dem Portal bemerkten.
    Wir gingen durch die Warte, stiegen eine kleine, durch Mauern sich windende Gasse hinan und kamen auf eine offene Esplanade innerhalb der Veste, die Plaza de los Algibes, oder Platz der Cisternen genannt, wegen der großen Wasserbehälter unter demselben, welche zum Bedarf der
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