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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
Autoren: Gordon Dahlquist
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Lippen blickte die Contessa drohend zu Miss Temple, als diese auf sie zuwankte. Aber Miss Temple hatte bereits ausgeholt, und die Contessa, deren Hände Chang festhielten, konnte nicht ausweichen. Wie eine Toastecke, die man in Eigelb tunkt, drang das Stück Fischbein in das rechte Auge der Contessa. Und als es wieder herausgezogen wurde, spritzte sein Inhalt ihr aufs Gesicht.
    Die Contessa schrie auf, und nachdem Chang sie vor Schreck losgelassen hatte, taumelte sie rückwärts und stürzte zu Boden. Miss Temple rührte sich nicht. Der Schrei verstummte nur kurz, als die Contessa Luft holte, und erscholl dann erneut, ein wildes Geheul aus Schmerz und Wut.
    Doktor Svenson drängte sich auf Knien an Miss Temple vorbei zur Contessa. Sie schlug um sich, als er sie zu berühren versuchte, und stieß Flüche in ihrer Muttersprache aus. Dann hatte Svenson ein Taschentuch in der Hand. Er zog ein Stück blaues Glas aus der Seide. Mit unerwarteter Gewalt drückte er es ihr in eine offene Wunde am Hals.
    Die Contessa bäumte sich auf, von den Empfindungen überwältigt. Ihre Beine zitterten. Eine Hand umklammerte Svensons Arm. Ihre Schreie wurden zum Keuchen eines sterbenden Tiers.
    »Oh … oh gottverdammt … was … was … oh, zum Teufel mit Ihnen …«
    Ihre Worte verwandelten sich in ein klägliches Wimmern. Doktor Svensons Hände wanderten sanft zu ihrem Gesicht. »Lassen Sie mal sehen … lassen Sie mal sehen …«
    Strampelnd befreite sich die Contessa und kroch los. Irgendwie gelang es ihr aufzustehen, und sie taumelte zurück in den zerstörten Raum. Sie trat auf die Röhren, stürzte mit einem schmerzerfüllten Grunzen, kam erneut hoch und verschwand im Rauch.
    Doktor Svenson war noch immer auf Knien. Miss Temple sagte nichts. Chang hob das Messer der Contessa auf.
    »Entschuldigung, aber – sollte ich nicht – sollte nicht jemand …«
    Svensons Worte wurden übertönt von Stiefelgetrampel. Durch den Haupteingang kam ein adrett gekleideter Kavallerieoffizier, gefolgt von zwölf Husaren. Der Offizier wedelte den Rauch vor seinen Augen weg und betrachtete ungläubig das Gemetzel.
    »Dieses Haus steht unter königlichem Befehl. Alle Anwesenden legen Ihre Waffen nieder und sind verhaftet.«
    Chang ließ das Messer fallen. Auf das Geräusch hin trat der Offizier näher. Er beugte sich zu Miss Temple hinunter, schnüffelte angewidert und betrachtete ebenso ungläubig die beiden Männer.
    »Ich bin wegen einer jungen Dame hier. Sie wird von Ihrer Hoheit Herzogin von Cogstead gesucht. Eine Miss Celestial Temple. Wenn jemand von Ihnen weiß, was mit ihr geschehen ist …«
    »Ich bin Celestial Temple.«
    »Du lieber Gott. Tatsächlich?«
    »Die Herzogin wird mich erkennen. Sie wird auch meine Begleiter erkennen.«
    Der Offizier hielt das für unwahrscheinlich, entschied sich dann jedoch für Diskretion und trat beiseite, wobei er Miss Temple den Arm anbot.
    »Ihre Hoheit wartet draußen mit dem übrigen Regiment. Kommen Sie.« Er rümpfte die Nase und nahm die Ruine, die Harschmort House nun war, in Augenschein. »Die Umstände dürften nicht besonders angenehm für Sie sein.«

EPILOG
    S tabsarzt Abelard Svenson klopfte die Asche der schwarzen Zigarette in einen Messingaschenbecher, der an der Armlehne seines Stuhls festgenietet war, welcher seinerseits am Kabinenboden befestigt war. Seine Uniform war neu, und seine ebenfalls neuen Schuhe glänzten wie schwarzes Glas. Er war glatt rasiert, das blonde Haar akkurat gescheitelt und fast jede Prellung und Fleischwunde auf dem Weg der Besserung.
    Beim Sprechen hob er nicht die Stimme, denn Miss Temple, die sich in den hinteren Raum zurückgezogen hatte, sollte nicht auf die Idee kommen, dass die beiden Männer über sie sprachen – wobei sie es natürlich vermutete, und natürlich taten sie es, wenn auch indirekt.
    »Geht es Ihnen gut?« Der Arzt stieß angesichts seiner unpassenden Bemerkung hörbar die Luft aus. »Ich wollte sagen, Sie wirken gesund. Aber, nun ja, nach allem, was war. Die Abreise und – bitte entschuldigen Sie, wie soll ich sagen … das Bündnis?«
    Kardinal Chang blickte auf den Rest Kaffee in seiner weißen Porzellantasse. Er griff nach der Kanne mit der langen, schlanken Tülle, schenkte sich nach, bot Svenson ebenfalls welchen an, der jedoch ablehnte, und stellte die Kanne auf das Tablett zurück. Er trank nicht.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Chang rieb sich die Augen, wobei er die Brille nach oben schob. Er seufzte, genau wie Svenson,
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