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Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03

Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03

Titel: Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
Autoren: Hanni Münzer
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marschiert war: Von mächtigen Pharaonen und schönen ägyptischen Königinnen über Alexander den Großen bis hin zu römischen Cäsaren. Lucies Fantasie kannte wie immer keine Grenzen.
    Lukas drehte die Uhr um und sah zu, wie der Sand quälend langsam in das untere Glas rieselte. Ihm kam in den Sinn, dass die Zeit die unbarmherzigste Gefährtin des Menschen war: Konnte man sie im Glück nicht festhalten, so stand sie im Unglück fast unbeweglich still.
    Unvermittelt schlug die Haustürglocke an. Lukas sprang zu hastig auf, stolperte über einen Tyrannosaurus rex, fiel der Länge nach hin und stieß sich den Kopf schmerzhaft an Mattis Kommode. Er rappelte sich wieder auf und stürmte hinter den beiden aufgeregt bellenden Hunden die Treppe hinab.
    Er wollte die Tür schon aufreißen, als er rechtzeitig zur Besinnung kam. Die Entführer würden kaum an der Haustür läuten und weitere Instruktionen bereithalten. Er strich sich die zerwühlten Haare glatt und atmete einmal tief durch, bevor er die Tür in der festen Absicht öffnete, den unwillkommenen Besucher so schnell wie möglich wieder loszuwerden.
    „Überraschung! Hallo, Bruderherz.“ Verflixt, Lucie! Seine Schwester war tatsächlich die hartnäckigste Person, die er kannte, und die letzte, mit der er sich jetzt auseinandersetzen wollte.
    Leider gehörte Lucie deshalb auch nicht zu jener Sorte Menschen, die man schnell wieder loswerden konnte. Glück für ihn, dass sie die nächsten Sekunden erst einmal mit den beiden tobenden Hunden beschäftigt war, deren erklärter Liebling sie war. Dadurch gewann Lukas die Zeit, die er brauchte, um den Schreck über ihren Besuch zu verdauen. Dass sich Lucie auch an so gar keine Abmachung halten konnte!
    Schon fiel sie ihm in ihrer überschwänglichen Art um den Hals und erdrückte ihn beinahe, um ihn gleich darauf mit gestreckten Armen von sich zu halten und einer kritischen, schwesterlichen Musterung zu unterziehen. Wie immer nahm sie kein Blatt vor den Mund: „Mannomann, du alter Bücherwurm. Du bist vielleicht blass um die Nasenspitze.“ Was man von Lucie nicht behaupten konnte. Braun gebrannt und vor Energie strotzend, blitzte sie ihn aus himmelblauen Augen an.
    „Los, komm schon. Lass uns eine Runde mit den Hunden drehen. Das Wetter ist viel zu schön, um hier drinnen zu versauern. Dann erzähl ich dir auch meine Neuigkeiten“, sprudelte sie hervor und zog ihn halb aus der Tür.
    „Das ist nett gemeint, Lucie, aber ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Ich habe dir doch schon am Telefon gesagt, dass ich noch arbeiten muss.“ Sein gehetzter Blick zurück streifte die halb offenstehende Haustür und die Flurkommode mit dem Telefon; jeden Augenblick konnten die Entführer sich bei ihm melden.
    Doch gegen seine Schwester war keine irdische Macht gewachsen und er am allerwenigsten. Sie hatte bereits die neben der Haustür hängenden Hundeleinen gegriffen und klinkte sie flink am jeweiligen Halsband von Stellina und Caruso ein. Dann hakte sie den widerstrebenden Lukas energisch unter, so dass sich dieser unwillkürlich fragte, ob sie ihn auch angeleint hätte, wenn es eine dritte Leine gegeben hätte.
    Ehe er sichs versah, fand sich Lukas in seinem Vorgarten wieder. Lucie drückte ihm dort wortlos Carusos Leine in die Finger und wühlte dann in ihrer riesigen Umhängetasche aus Bast. Als sie das Gesuchte gefunden hatte, hielt sie es ihm in stummer Aufforderung hin. Es war ein Taschentuch.
    „Wisch dir erst einmal das Blut aus dem Gesicht, Bruderherz, und dann erzählst du mir, was passiert ist. Du bist ja völlig durch den Wind.“ Lucie klang gleichermaßen streng wie besorgt.
    „Bitte?“ Lukas blinzelte sie verwirrt an, griff aber nach dem Tuch und fuhr sich damit automatisch über die Stirn. Es färbte sich sofort rot. Ungläubig starrte er darauf. Er brauchte eine Weile, bis er sich erinnerte, dass er sich in Mattis Zimmer den Kopf gestoßen hatte. Er spürte nichts.
    „Nichts, bitte “, äffte Lucie ihn nach. „Hallo, ich bin es, Lucie, dein Zwilling. Schon vergessen? Wenn du glücklich bist, bin ich es auch. Hast du Schmerzen, spüre ich sie genauso. Was glaubst du denn, wie mein armer Puls rast, seit ich dich vorhin angerufen habe? Außerdem hätte es hier sowieso keinerlei emphatischer Fähigkeiten bedurft, ehrlich. Du hättest dich eben in der Haustür sehen sollen, Lukas: Panik im Blick, Blut im Gesicht und deine ganze Körperhaltung drückte hektische Abwehr aus - nach dem Motto, Verschwinde Lucie !
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