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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113
Autoren: Émile Gaboriau
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meine drei Kameraden, er glaubte sich verloren, und da mag
der Verstand mit ihm durchgegangen sein.«
    Inzwischen hatte man den Irren durch einen Feuerwehrmann vom
Dache herabholen lassen. Da er fürchterlich tobte,
mußte ihm die Zwangsjacke angelegt werden, ehe er ins
Krankenhaus gebracht werden konnte.
    Verduret und Fanferlot folgten.
    Der Arzt war eben damit beschäftigt, dem Kranken eine
beruhigende Arznei einzuflößen, aber er
sträubte sich und schrie, man wolle ihn vergiften.
    »Der Fall ist sehr ernst,« antwortete der
Arzt auf Verdurets diesbezügliche Frage.
    »Der Mann leidet an unheilbarem Wahnsinn. Er bildet
sich ein, daß man ihn vergiften will und wird jede
Nahrungsaufnahme verweigern...«
    Verduret schauderte.
    »Er büßt seine
Verbrechen,« sagte er leise und entfernte sich gedankenvoll.
    »Was wird nun aus dem Aktenfaszikel 113
werden?« klagte Fanferlot. »Und ich habe
Mühe und Unkosten ganz umsonst gehabt!«
    »Das Aktenfaszikel wird allerdings nie aus dem Archiv
herauskommen. Aber tröste dich, nächster Tage schicke
ich dich mit einem Briefe zu Herrn Fauvel und der Lohn für
deine Mühe wird nicht ausbleiben!«

24. Kapitel
    Einige Tage später ging Herr Lecoq – der offizielle Lecoq,
der wie ein Kanzleirat aussieht, in seinem Arbeitszimmer ungeduldig auf
und ab und blickte alle Augenblicke auf die Uhr.
    Endlich klingelte es und Nina und Prosper erschienen.
    »Herr Verduret hat uns zusammen hierher
bestellt,« sagte Prosper.
    »Bitte, wollen Sie sich einen Augenblick gedulden,
ich werde ihn sofort benachrichtigen.«
    Er ging und ließ' die beiden allein. Sie
saßen und sprachen kein
Wort miteinander, und es dauerte geraume Weile, ehe Herr Verduret
erschien.
    Er hatte nicht seine gewöhnliche freundliche Miene,
sondern sah so
finster aus, daß weder Prosper noch Nina wagten, ihm, wie sie
es
wollten, freudig entgegenzustürzen.
    »Sie kommen, um Aufklärung von mir zu
fordern,« sagte er, »ich habe
Ihnen versprochen, das Geheimnis zu enthüllen und ich werde
Wort halten
– wenn es mir auch schwer fällt. Also hören
Sie: Ich hatte einen Freund
namens Caldas. Er liebte ein junges Mädchen und war so
töricht zu
glauben, daß auch sie ihn liebe, weil sie ihm alles verdankte
...«
    »Ja,« rief Nina, »sie liebte
ihn!«
    »Sie liebte ihn so,« fuhr Verduret fort,
»daß sie eines Tages mit
einem anderen davonlief. Er war fast wahnsinnig vor Schmerz und nahe
daran, sich umzubringen, aber er faßte sich und
beschloß Rache zu
nehmen. – Und Caldas hat sich gerächt. Er hat den
Zerstörer seines
Glücks, der durch seinen Unverstand und seine
Charakterschwäche an dem
Rand des Abgrunds stand, mit starker Hand zurückgerissen und
ihn
gerettet. – Verstehen Sie, Prosper, wissen Sie wer die
handelnden
Personen sind? Sie sind alle hier versammelt ...«
    Und mit rascher Bewegung riß er Perücke und
Bart herunter.
    »Caldas!« rief Nina.
    »Ich heiße in Wirklichkeit weder Caldas noch
Verduret, sondern – ich bin Lecoq, der
Sicherheitsagent.«
    Prosper und Nina waren zu verblüfft, um ein Wort
hervorbringen zu
können. Lecoq aber fuhr zu Prosper gewendet fort:
»Sie verdanken Ihr
Heil nicht mir allein; Fräulein Magda war meine getreue
Bundesgenossin.
Ich hatte ihr versprochen, daß Herr Fauvel nie etwas erfahren
würde,
allein Sie haben durch Ihren anonymen Brief meine Veranstaltungen
vereitelt. – Ich bin zu Ende, nun wissen Sie alles.«
    Er wollte in sein Schlafzimmer zurücktreten, aber
Nina stürzte auf
ihn zu und rief flehentlich: »Caldas, ich beschwöre
dich, habe Erbarmen
– ich bin so unglücklich – ach, wenn du
wüßtest ...!«
    Prosper sah, daß seine Gegenwart
überflüssig war und entfernte sich leise.
    ***
    Wenige Wochen später wurde die Hochzeit Magdas und
Prospers
gefeiert, nachdem Fauvel den jungen Mann zu seinem
Geschäftsteilhaber
gemacht hatte.
    Die Firma des Bankhauses hieß nun:
    André
Fauvel und Prosper Bertomy.
    - Ende -
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