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Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)

Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)

Titel: Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Cobley
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konzentrierte, nicht auf den feuchten, moosbewachsenen Stufen auszurutschen.
    Etwa eine Stunde später erreichte Greg ein kleines Säer-Dorf, gelegen im Ansatz eines großen Astes, der aus einem gewaltigen Säulenbaum entsprang. Im Schein der Lampen, die das ewige Zwielicht erhellten, wies ihm eine Älteste mit angegrautem Gesichtspelz eine leere Hütte zu. Als er wieder allein war, legte er sich auf die viel zu kurze Matte aus geflochtenen Rindenstreifen, zog die Beine an und fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Er erwachte vom Regengetrommel auf dem Hüttendach und erhob sich mit knackenden Gelenken und schmerzendem Hals. Trotz der feuchtwarmen Luft fröstelte er, als er auf den Ast hinaustrat, sich auf einen großen Knoten setzte und das Gesicht in den Regen hielt. So ausgeruht und entspannt hatte Greg sich schon lange nicht mehr gefühlt, doch all das, was nach seiner Ankunft auf Niwjesta geschehen war, beschäftigte ihn noch immer. Er sah auf die Uhr: Er hatte fast sieben Stunden lang geschlafen, und in der Kolonie auf Darien war es jetzt zwanzig nach fünf Uhr nachmittags.
    Seine Gedanken kreisten um den Verrat Washutkins, der von Kuros’ Nanostaub versklavt worden war, dann um seine Translokation erst in die Warpkammer in der Schulter des Riesen und dann auf den Mond Niwjesta. Er hätte gern gewusst, was seitdem geschehen war, was Washutkin vorhatte und ob Rory und Chel noch am Leben waren. Außerdem quälten ihn die Sorge um Catriona und die Ungewissheit, ob es richtig gewesen war, den Zyradin hierherzubringen …
    Er seufzte, schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, verschmierte die Regentropfen, schmeckte sie auf der Zunge, frisch und rein. Von oben fiel ein wenig Licht herab, ein schwacher Rest Sonnenschein, der die Nebelschwaden am Waldboden unheimlich aufleuchten ließ.
    Auf einmal vernahm er mädchenhaftes Gelächter, gedämpft durch das Laub, das Gelächter einer Menschenfrau …
    Er stand auf, spannte sich an und wandte den Kopf hin und her, versuchte das Gelächter zu orten.
    Es kam von weiter unten. Vom Waldboden.
    Greg holte seinen Rucksack aus der Hütte und kletterte über Strickleitern und ausgetretene Rindenstufen in die Tiefe.
    Stundenlang irrte er durch die Düsternis, rutschte auf dem Laubmodder aus oder stolperte über verborgene Steine. In dem Zwielicht sah er schlecht, doch er hatte den Eindruck, sein Gehör werde in der tiefen Stille geschärft. Er meinte eine Stimme zu hören, Cats Stimme, die unvollständige Sätze murmelte. Manchmal meinte er, ein paar Worte zu verstehen, dann wurde sie wieder leise und undeutlich und kam aus einer anderen Richtung. Nach einer Weile glaubte er, mehrere Stimmen zu hören, ein Durcheinander von Echos, die von allen Seiten auf ihn eindrangen. Seine Anspannung machte Niedergeschlagenheit Platz. Das widerhallende Geflüster war jetzt mit Seufzern, gesummten Liedfetzen und unterdrücktem Schluchzen durchmischt.
    Zunächst versuchte Greg den Geräuschen zu folgen, torkelte durchs feuchte Unterholz und rief so lange Cats Namen, bis er heiser war. Im Rückblick sollte er die Erfahrung später als Außersichsein einordnen, als Paroxysmus der Trauer und des Zorns. Zorn auf die Eiferer des Ordens der Spiralprophezeiung und dessen gefühllose Anführer, Zorn auf die Hegemonie und die Erde, die diese unschuldige, wehrlose Menschenkolonie nicht schützen wollten. Zorn auf den Warpbrunnen und den Zyradin – von dem er sich Unterstützung in diesem aussichtslosen Kampf erhofft hatte –, Zorn auf die Vorläufer, die ihn erschaffen hatten, und auf Segrana. Er schimpfte und fluchte, riss Vorhänge von Kletterpflanzen herunter, brach Zweige ab und riss Büsche und Schösslinge aus dem Boden. Catrionas Stimme hatte sich im ewigen Zwielicht aufgelöst, als hätte es sie nie gegeben. Zurück blieben Nebelschwaden und Schatten.
    Erschöpft von der Suche, von Sorge und Wut, taumelte er durch die tropfende Dunkelheit. Hin und wieder kam er an einem außergewöhnlich regelmäßig geformten Stein vorbei, doch seine Neugier war gedämpft, und er ging weiter, ohne ihn zu beachten. Als er neben einem umgestürzten Baum einen buschbestandenen Hang hochstapfte, überwältigte ihn die Erschöpfung – ihm wurde schwindlig, und er ließ sich am Baumstamm niedersinken. Er ruhte sich eine Weile aus, dann wurde ihm klar, dass er sich auf dem durchweichten Waldboden einen Schlafplatz suchen musste. Mühsam rappelte er sich wieder hoch.
    Ein Stück weiter oben am Hang
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