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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte
Autoren: Kate Mosse
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Kamin des alten Pfarrhauses lag. Wie der
Courrier d’Aude
berichtete, wies sein Kopf vierzehn Wunden und zahlreiche Schädelfrakturen auf.
    Der Mord, für den es kein Motiv zu geben schien, war ausgesprochen brutal gewesen. Alle Lokalzeitungen hatten damals darüber berichtet, ohne große Abweichungen, was die Fakten anging. Nach vollbrachter Tat hatten die Mörder die Leiche des alten Mannes regelrecht aufgebahrt und seine Hände auf der Brust gefaltet. Das Haus war durchsucht und eine Schatulle aufgebrochen worden, die aber, nach Aussage einer Nichte, die für Gélis den Haushalt geführt hatte, ohnehin leer gewesen sei. Anscheinend war nichts gestohlen worden.
    Als Meredith weiter nachforschte, stieß sie jedoch auf zwei Details, die in den Zeitungsberichten eher beiläufig erwähnt wurden. Zum einen hatte am Nachmittag vor Allerheiligen eine junge Frau, deren Beschreibung auf Léonie Vernier passte, das Pfarrhaus in Coustaussa besucht. Eine handschriftliche Nachricht war gefunden worden. Zum anderen hatte man dem Toten zwischen die Finger der linken Hand eine Tarotkarte geschoben.
    Karte  XV : Le Diable.
    Die Frage, wer Léonies Nähkästchen und die Originalkarten wieder in das Versteck in dem trockenen Wasserlauf gebracht hatte, blieb ungeklärt. In ihrem Herzen stellte Meredith sich vor, dass Louis-Anatole heimlich im Schutze der Nacht auf die Domaine de la Cade zurückgekehrt war und die Karten in Erinnerung an seine Tante dorthin zurückgebracht hatte, wo sie hingehörten. Ihr Kopf sagte ihr, dass dafür wahrscheinlich eher ein Mann namens Audric Baillard in Frage kam, dessen Rolle in der ganzen Geschichte sie noch immer nicht durchschaut hatte.
    Die genealogischen Informationen waren leichter zu beschaffen gewesen. Mit Hilfe einer Angestellten im Rathaus von Rennes-les-Bains, die sich als einfallsreich und äußerst tüchtig erwies, hatte Meredith im Sommer und Frühherbst 2008 rekonstruieren können, was aus Louis-Anatole geworden war. Der Sohn von Anatole und Isolde war unter der Obhut von Audric Baillard in Los Seres aufgewachsen, einem kleinen Dorf in den Sabarthès-Bergen. Nach Léonies Tod war Louis-Anatole niemals zur Domaine de la Cade zurückgekehrt, und das Anwesen war verfallen. Meredith vermutete hinter Louis-Anatoles Vormund den Vater oder gar Großvater jenes Audric S. Baillard, der
Diables et Esprits Maléfiques et Fantômes de la Montagne
geschrieben hatte.
    Louis-Anatole Vernier hatte sich zusammen mit Pascal Barthes, einem Diener der Familie, 1914 zur Armee gemeldet und war an die Front geschickt worden. Pascal wurde hoch dekoriert, fiel aber im Krieg. Louis-Anatole überlebte und ging nach der deutschen Kapitulation 1918 nach Amerika. Zuvor überschrieb er die Domaine de la Cade der mit ihm verwandten Familie Bousquet. In Amerika angekommen, spielte er zunächst Klavier auf Dampfschiffen und in Varietétheatern. Meredith fand zwar keine Belege dafür, aber ihr gefiel der Gedanke, dass er irgendwann einem anderen Varietékünstler über den Weg gelaufen sein könnte, Paul Foster Case.
    Louis-Anatole ließ sich in der Nähe von Milwaukee nieder, im heutigen Mitchell Park. Das folgende Kapitel seiner Lebensgeschichte war recht leicht zu ermitteln gewesen. Er verliebte sich in eine verheiratete Frau, eine gewisse Lillian Matthews, die von ihm schwanger wurde und eine Tochter zur Welt brachte, Louisa. Kurz darauf endete die Affäre der beiden, und sie verloren sich offenbar aus den Augen. Meredith hatte keinen Hinweis auf irgendwelche Kontakte zwischen Vater und Tochter finden können, doch sie hoffte, dass Louis-Anatole die Entwicklung seiner Tochter aus der Ferne verfolgt hatte.
    Louisa erbte die musikalische Begabung ihres Vaters. Sie wurde Berufspianistin und trat in den dreißiger Jahren nicht etwa auf Mississippidampfern auf, sondern in den Konzertsälen Amerikas. Nach ihrem Debütkonzert in einem kleinen Saal in Milwaukee war am Bühneneingang ein Päckchen für sie abgegeben worden. Es enthielt die Fotografie eines jungen Mannes in Uniform und ein Notenblatt mit Klaviermusik:
Grabkapelle 1891 .
    Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges verlobte sich Louisa mit einem Musikerkollegen, einem Geiger, den sie auf ihren Konzertreisen kennengelernt hatte. Jack Martin war bereits ein sehr nervöser und aufbrausender Mensch gewesen, ehe ihn seine Erfahrungen in einem burmesischen Kriegsgefangenenlager fürs Leben zeichneten. Als er nach Amerika zurückkehrte, war er drogenabhängig und litt unter
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