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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Autoren: Gillian Shields
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ausgestattet war. Mrs. Hartle ließ sich hinter einem beeindruckenden Schreibtisch nieder, während ich ihr gegenüber auf einem harten Stuhl Platz nahm. Ich hatte das Gefühl, als würde sie mich erneut begutachten, ehe sie schließlich verkündete: »Ich war dagegen, dass du an dieser Schule aufgenommen wirst.«
      Na, toll, dachte ich. Sie wollte nicht, dass ich hier war. Was für ein gelungener Anfang.
      »Das Schuljahr hat bereits begonnen«, sprach sie weiter. »Es wird schwer für dich werden, den Leistungsstand aufzuholen, den die älteren Klassen dieser Schule bereits erreicht haben. Noch schwerer wird es dir fallen, dich den Gebräuchen und Traditionen anzupassen. Wyldcliffe ist nicht so wie andere Schulen. Hier geht es nicht nur um den Lernerfolg. Die jungen Frauen werden auch auf die Aufgaben vorbereitet, die sie später in der Gesellschaft zu erfüllen haben. In den vergangenen Jahren wurden nur wenige Plätze an Stipendiaten vergeben.« Sie machte eine Pause, und ich wusste, sie erwartete jetzt von mir, dass ich meine Dankbarkeit ?u?erte und versprach, bescheiden und gut und dem?tig zu sein ? ein perfektes kleines Wohlt?tigkeitsobjekt an einer Schule voller junger Ladies. Am liebsten allerdings h?tte ich ihr wutschnaubend ins Gesicht geschleudert: Ich will auch nicht in eurer lausigen Schule sein. Ich will nach Hause! Es gelang mir jedoch, mich zu beherrschen und den Mund zu halten.
      Mrs. Hartle seufzte und sprach weiter. »Die Schulleitung war jedoch der Meinung, dass sie ihre Hilfe in deinem Fall nicht verweigern darf.«
      Dad hatte mir erzählt, dass sich unter den Statuten der Schule eine alte Klausel befand, derzufolge ›für die in Not geratenen Töchter der Offiziere der bewaffneten Streitkräfte Ihrer Majestät‹ zu sorgen sei. Mit anderen Worten, sie waren verpflichtet, einem mutterlosen Mädchen, dessen Vater in der Armee war und nicht viel Geld besaß, kostenlos Unterricht zu geben. Also schön, ich bin in Not geraten, in Ordnung, dachte ich mit einem grimmigen Lächeln.
      »Du hast das Glück gehabt, dass du dich für ein Stipendium qualifizieren konntest. Jetzt sieh zu, dass du es auch verdienst!« Sie sah mich voller Abneigung an, musterte meine schlammverschmierte Kleidung und die strähnigen, nassen Haare. Einen Sekundenbruchteil blieb ihr Blick an dem blutbefleckten Taschentuch hängen, das noch immer um meine Hand gewickelt war, dann starrte sie auf die Silberkette an meinem Hals.
      »Das Tragen von Schmuck ist an dieser Schule verboten. «
      Instinktiv schloss ich meine Finger um den Anhänger der Kette, die ich bei meinem letzten Besuch im Pflegeheim von Frankie geschenkt bekommen hatte. Sie hatte sie mir einfach nur in die Hand gedr?ckt, das Gesicht vom Schlaganfall verzerrt, der beinahe t?dlich verlaufen w?re, unf?hig, irgendein Wort zu sagen. Es war ein altert?mliches Schmuckst?ck aus raffiniert gearbeitetem Silber, in dessen Mitte sich ein strahlender Kristall befand. Ich hatte nicht den Eindruck gehabt, dass der Anh?nger von irgendwelchem Wert gewesen w?re, aber Frankie hatte gewollt, dass ich ihn bekam, und dadurch war er zu etwas Besonderem geworden.
      »Aber Frankie … meine Großmutter hat mir die Kette – «
      »Ich bin sicher, dass deine Großmutter es begrüßen würde, wenn du dich an die Regeln von Wyldcliffe hieltest«, unterbrach Mrs. Hartle mich missbilligend. Ich schob die Kette rasch unter mein Hemd, so dass sie nicht mehr zu sehen war.
      »Schon besser. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle hinzufügen, dass auch das Benutzen von Handys, Radios und dergleichen mehr verboten ist. Wir in Wyldcliffe möchten nicht, dass unsere Mädchen von den Gerätschaften der sogenannten Popkultur überwältigt oder davon abhängig werden, so dass sie lediglich auf geistlose Weise, ohne Sinn und Verstand kommunizieren, wie es inzwischen üblich ist. Du wirst mir also derartige Geräte zur Aufbewahrung übergeben. Am Ende deiner Schulzeit erhältst du sie dann zurück.«
      Zögernd reichte ich ihr mein Handy und meinen kostbaren iPod. Allmählich erwachte in mir eine gewisse Abneigung gegen Mrs. Hartle und ihre Regeln.
      »Unglücklicherweise bist du sehr spät gekommen; die Mädchen haben sich bereits zum Abendessen begeben. Du hast jetzt nicht mehr die Zeit, dich vorher noch umzuziehen. Komm also mit!«
      Abrupt stand sie auf, und ich vermutete, dass sie mich absichtlich in diesem fürchterlichen Zustand zum Essen schickte, als Strafe für meine
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