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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Autoren: Gillian Shields
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Agnes’ Geist in der Kapelle hat schweben sehen. Die ganze Sache hat sich in ein ziemlich makabres Drama verwandelt, und die Eltern haben das Mädchen von der Schule genommen. Jetzt machen sich die Mistresses Sorgen, dass ihnen wieder alles entgleiten könnte. Ich mache mir auch Sorgen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass man uns beobachtet.«
      Genau in diesem Moment kam jemand mit einem Futtereimer für die Ponys zu uns. Es war der Junge, den ich schon früher im Stall hatte arbeiten sehen.
      »Hi, Josh«, sagte Sarah und drehte sich mit einem Strahlen im Gesicht zu ihm um. »Danke fürs Bringen.«
      Die Ponys begrüßten den Jungen wie einen alten Freund. Er lachte und stellte den Eimer ab. Seine Kleidung war dreckig, aber er bewegte sich mit der zuversichtlichen Anmut eines erfahrenen Reiters.
      »Kein Problem.« Er lächelte. »Ich dachte, Bonnie hätte ihr Hinterbein nachgezogen, aber nachdem ich ihre Hufe saubergemacht habe, schien es ihr wieder gut zu gehen. Trotzdem fand ich, du solltest das wissen.«
      Er wandte sein warmes, lächelndes Gesicht jetzt mir zu, aber ich sah weg.
      »Okay, ich werd’s im Blick haben«, sagte Sarah. »Danke, Josh.«
      »Dann bis später.« Fröhlich pfeifend ging er davon. Ich beschäftigte mich mit den Ponys, während meine Gedanken rasten. Die Vorstellung war schier unertr?glich, mit all den anderen M?dchen aus Wyldcliffe in der zerfallenen Kapelle herumzuh?ngen und den Boden zu zertrampeln, auf dem Agnes gegangen war ? auf dem Sebastian und ich einmal zusammen gewesen waren. Aber ich durfte nicht an Sebastian denken ?
      Schon bald wurde die Gedenkprozession zum alles beherrschenden Thema der Schule. Zu Miss Scrattons Zufriedenheit wurden die Schuluniformen gebügelt, die Schuhe poliert. Blumentröge mit weißen Blumen aus dem Treibhaus wurden in der Haupthalle aufgestellt und erfüllten die Korridore mit ihrem verschwiegenen, pergamentenen Geruch. Mr. Brooke, unser Musiklehrer – einer der wenigen Lehrer, die die Erlaubnis erhalten hatten, die Schwelle von Wyldcliffe zu überschreiten –, bestand darauf, dass wir jeden Morgen zusätzlich zum normalen Unterricht noch die Lieder übten. Ich warf Celeste und ihren versnobten blonden Freundinnen einen Blick von der Seite zu und fragte mich, was sie sagen würden, wenn sie wüssten, dass sie für meine Ahnin Lady Agnes Templeton sangen. Ich war jetzt Teil der Abtei, genau wie sie. Wie Effie gehörte ich rechtmäßig hierher.
      Dies war eine Tradition von Wyldcliffe, die ich nur zu gern mit aufrechterhielt.
       
 
      Wir stellten uns auf der geschwungenen Marmortreppe in einer Reihe auf, die Jüngeren vorn und die Größeren und Älteren auf den höheren Stufen dahinter. Die gesamte Schule hatte sich versammelt, abgesehen von Celeste, die wegen ihres verletzten Beines entschuldigt war. Wir trugen alle unsere blutroten Wintermäntel und Handschuhe und hielten eine einzelne wei?e Lilie in den H?nden. Aufgeregtes Getuschel lief durch die Gruppe der M?dchen, wie kleine tanzende Flammen. Sie machten sich nat?rlich nicht das Geringste aus Agnes; diese abendliche Prozession w?rde f?r sie lediglich eine aufregende, spannende Angelegenheit werden, weiter nichts.
      Das Klappern von Absätzen auf den schwarz-weißen Fliesen erklang, und dann kamen ein Stück weiter unten die Mistresses in Sicht: Miss Scratton und Miss Schofield und Miss Raglan und Miss Dalrymple und alle anderen. Sie trugen ihre dunkle Lehrerinnen-Tracht und hielten große, weiße Kerzen in silbernen Haltern in den Händen. Mrs. Hartle hatte etwas dabei, das wie ein schweres Gebetbuch aussah; sie runzelte die Stirn, als sie die aufgereihten Mädchen ansah. Ich suchte nach einer Ähnlichkeit zwischen ihr und Helen, aber obwohl beide groß waren, hätten sie sich kaum mehr voneinander unterscheiden können. Mrs. Hartles Gesicht war dunkel und ruhig, Helens dagegen voller Licht, wie das eines mittelalterlichen Engels. Es fiel mir schwer zu glauben, dass sie Mutter und Tochter waren. Kein Wunder, dass es so leicht war, es geheim zu halten.
      »Ruhe!«, rief Miss Scratton. Ihr Blick schoss zu uns herüber. »Elizabeth Fisher, dein Mantel ist noch auf.« Die unglückliche Elizabeth beeilte sich, die Knöpfe zu schließen. »Wir werden von der Haupttür aus zur Ruine der Kapelle gehen. Dabei wird nicht gesprochen und nicht gekichert. Es wird keinerlei Dummheiten geben. Fangen wir an. Mr. Brooke, sind Sie bereit?«
      Der leicht errötende Musiklehrer
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