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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten
Autoren: Dietmar Dath
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vorauskrochen, wie die kleinen Nager mit den schwarzen neugierigen Augen, die geduckten pferdeartigen Läufer, die glucksenden Affen, die keckernden und kreischenden Vögel in allen Farben, seltsamsten Kostümen, unbekannten Stimmungen überall um sie her.
    »Warum«, keuchte Feuer und wischte sich die schwarze Stirn mit dem Handrücken ab, »haben wir nichts gehört gestern, von diesen vielen Tieren? Wieso war der Wald so still?«
    »Vielleicht schlucken die Rosen ... alle Geräusche von außen, oder die Anlage selbst ist ... hat ein Feld ... noch mal: Wir verstehen die Technologie der Keramikaner nicht besser, als die Gente sie verstanden haben, vergiß das nicht.«
    »Ist der Schwan das? Ein Keramikaner?«
    »Eigentlich nicht, in Genteform sind damals keine von ... das waren eher Menschenfrauen. Dem Bauplan nach, mein ich.«
    »Eben«, sagte die Schwester, so endgültig wie mehrdeutig.

    Ab und zu versuchten die Geschwister, einander neue Pläne zuzublinzeln oder etwas zu denken, was zwar der oder die andere mitdenken konnte, nicht aber der seltsame Vogel, der immer wieder geduldig auf dicksten Ästen sitzen blieb und nach ihnen schaute, wenn sie im Geschling versunken waren und sich, manchmal über Stunden, herauskämpfen mußten, um ihm folgen zu können.
    Sie mochten die Raterei darüber nicht aufgeben, was hier eigentlich geschah, denn obwohl sie wußten, daß der Schwan hörte oder anders wußte, was sie dachten, funktionierte das umgekehrt nicht: Sie konnten nie erkennen, wer und was er war, und das machte ihnen angst – keine schrille, aber eine lauernde, fortdauernde.
    Zwischen den Regenwaldbäumen behaupteten sich breite Farngewächse und noch mehr fremdartige Flora. Die beiden, die sich in irdischer Botanik eigentlich gut auskannten, wurden überrascht von Rotbuchen, die ungeheuer hochgewachsen waren und Kronen von bis zu 50 Metern Durchmesser hatten, von Erlen, Fichten, Tannen, an einem Hang sogar drei Palmen und etwas, das, wäre es kleiner gewesen, hätte Schilf heißen dürfen.
    Als sie über einen hohen Felskamm gingen, der zur Rechten steil abfiel, hörten sie es rasseln und klirren, ein Wiehern im Tal, und hielten inne, spähten hinab. Da waren Menschen – keine Minderlinge, keine Aristoi: echte Menschen, Männer – außerdem Pferde, ein kleiner Treck: silberne Helme, Piken und bunte Kostüme mit Brustpanzern, geschmiedetem Schmuck, gesträubten Bärten.
    Sie schraken zusammen, als der Schwan, der lautlos hinter ihnen auf einem Ast gelandet war, ihnen leise, aber bestimmt zuflüsterte: »Erschreckt sie nicht. Sie suchen bloß Gold.«
    »Menschen?« Padmasambhava drehte sich nach der falschen Comtesse um. »Die gibt es wieder? Habt ihr sie rausgezüchtet aus dem alten Material, habt ihr sie ...?«
    »Sie sind weg!« rief Feuer und griff Padmasambhavas Arm. Der Bruder schaute nach unten und sah, wirklich, es stimmte – die Trampelspuren erkannte man noch, die geknickten großen Gräser und Sumpfgewächse, aber die Fährte riß ab, mitten im Dickicht. »Ein Kräuseleffekt«, sagte der Schwan, als ihn beide bedrängten, das Phänomen zu erklären. »Kleinste Wellen in der Zeit. Es ist noch nicht alles fertig, wißt ihr. Immer noch nicht, nach siebentausend Durchläufen – manchmal lecken die Kurven. Die Bänder.«
    Padmasambhava fühlte sich an Arcana erinnert, die er von Cordula und Sankt Oswald über Musik gelernt hatte; aber Feuer schüttelte grimmig den Kopf: »Ich hab sie gesehen. Sie waren da. Wo sind sie hin? Das war keine Erklärung, du völlig verkehrter Vogel!«

    »Es wird sich alles weisen«, sagte die feminine Stimme, und Feuer fiel auf, daß das Wesen dabei den Schnabel gar nicht bewegte – also hören wir's in unsren Köpfen; es ist kein Schall im Spiel.
    »Nein, Geduld hatten wir genug, wir sind dir nachgekraxelt«, wehrte sich Padmasambhava, »jetzt wollen wir, daß alles ein bißchen schneller geht, sonst«, ein Seitenblick auf die Schwester versicherte sich bei ihr, daß er das Recht hatte, für beide zu sprechen, sie nickte, »sonst bewegen wir uns überhaupt nicht mehr vom Fleck.«
    Das glatte Geschöpf antwortete, indem es sich verdoppelte – Feuer tat einen Schritt zurück und wäre fast die Klippe hinuntergefallen, wenn Padmasambhava sie nicht festgehalten hätte. Zwei Schwäne näherten sich, schwebend, mit ausgebreiteten Schwingen, den Verblüfften.
    Der eine hatte sich nicht so sehr vom andern abgenabelt, als daß sie vielmehr gleichzeitig auseinander hervorgegangen
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