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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
Autoren: Isabel Allende
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sie krank und nur noch Haut und Knochen war. Als er an sie dachte, spürte er, wie ihm eng um die Brust wurde und ihm die Luft wegblieb, als hielte eine riesige Hand seine Kehle umklammert.
    Morgana hatte ihre Jacke nicht wieder angezogen. Darunter war ein schwarzes Spitzenblüschen zum Vorschein gekommen, das ihren Bauch frei ließ, und ein Lederhalsband mit stachligen Nieten wie für einen bissigen Hund. »Ne Tüte käme jetzt echt gut«, sagte sie. Alex deutete auf das Schild, nach dem im Bus nicht geraucht werden durfte. Sie sah sich um. Keiner achtete auf die beiden; vor ihnen waren etliche Sitzreihen frei, und ein Stück weiter saßen welche, die lasen oder dösten. Nachdem sie sicher war, dass keiner hinsah, griff sie in ihren Ausschnitt und zog einen speckigen Lederbeutel heraus. Sie stieß Alex kurz mit dem Ellbogen an und wedelte damit vor seiner Nase herum.
    »Gras«, zischte sie.
    Alex schüttelte den Kopf. Er hielt sich selbst keineswegs für einen Gesundheitsfanatiker, wie fast alle seine Kumpels hatte auch er hin und wieder Marihuana geraucht und Alkohol getrunken, bloß verstand er nicht, was daran verlockend sein sollte, außer dass es verboten war. Er verlor nicht gern die Kontrolle. Deshalb machte ihm das Bergsteigen Spaß, weil es da auf Körperbeherrschung und Konzentration ankam. Von den Touren mit seinem Vater kamer erschöpft, mit schmerzenden Gliedern und hungrig zurück, aber auch überglücklich, energiegeladen und stolz darüber, dass er seine Ängste und die Hindernisse am Berg überwunden hatte. Er sprühte nur so, fühlte sich mächtig, fast unbesiegbar. Sein Vater sagte dann zwar keinen Ton, denn er sollte sich nichts darauf einbilden, klopfte ihm aber kameradschaftlich auf die Schulter, als Anerkennung für seine Großtat. John Cold überschüttete einen nie mit Lob, man musste sich ganz schön anstrengen, um überhaupt einmal eins zu bekommen, aber Alex machte das eigentlich nichts aus, ihm genügte das Schulterklopfen von Mann zu Mann.
    Sein Vater war ziemlich in Ordnung, und deshalb gab sich Alex auch alle Mühe, kein Angeber zu sein, aber im Stillen war er doch stolz auf drei Eigenschaften, die ihn seiner Meinung nach auszeichneten: der Mut, auf Berge zu klettern, seine Begabung zum Flötespielen und die Fähigkeit, klar zu denken. Viel schwieriger war es, seine Schwächen einzugestehen, aber er musste zugeben, dass es mindestens zwei gab, auf die ihn seine Mutter schon öfter hingewiesen hatte und die er eigentlich loswerden wollte: seine Schwarzmalerei – fast immer fand er ein Haar in der Suppe – und seine Unausgeglichenheit – er bekam Tobsuchtsanfälle aus heiterem Himmel. Beides war neu, denn noch vor ein paar Monaten war er zuversichtlich und immer gut gelaunt gewesen. Seine Mutter meinte zwar, das sei eine Frage des Alters und würde sich auswachsen, allerdings war er sich da nicht so sicher. Aber jedenfalls reizte ihn Morganas Angebot nicht. Die Male, wenn er gekifft oder etwas getrunken hatte, war er sich überhaupt nicht vorgekommen wie auf einem Flug ins Paradies, was einige seiner Freunde behaupteten, sondern hatte bloß gespürt, wie sich sein Kopf vernebelte und seine Beine wie Watte wurden. Richtig high wurde er davon, an einem Seil an einer Felswand zu hängen, unter sich den Abgrund, und genau zu wissen, wohin er als Nächstes den Fuß setzen musste. Nein, mit Gras und solchem Zeug hatte er nichts am Hut. Mit Zigaretten auch nicht, denn zum Bergsteigen und Flötespielen brauchte er eine gesunde Lunge. Er musste grinsen, als er daran dachte, wie seine Großmutter Kate ihm die Verlockung zu rauchen gründlich vermiest hatte. Damals war er elf gewesen, und obwohl ihm sein Vater die bekannte Predigt über Lungenkrebsund andere Folgen des Rauchens gehalten hatte, paffte er heimlich mit seinen Freunden hinter der Turnhalle. Kate Cold verbrachte Weihnachten bei ihnen, und wie ein Spürhund hatte sie binnen kurzem den Geruch wahrgenommen, da half auch kein Kaugummi oder Kölnischwasser.
    »So jung und schon rauchen, Alexander?«, fragte sie vergnügt. Er wollte es abstreiten, aber sie ließ ihm keine Zeit. »Komm mit, wir machen eine Spritztour«, sagte sie.
    Er stieg ins Auto, schnallte sich sorgfältig an und raunte zwischen zusammengebissenen Zähnen ein Stoßgebet, denn seine Großmutter am Steuer war gemeingefährlich. Sie behauptete einfach, das sei in New York so üblich, und raste, als wäre jemand hinter ihr her. Mit jaulendem Motor und quietschenden Reifen
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