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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja
Autoren: Otfried Preußler
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jemand
die Straße herauf und klopfte mit einem Stecken gegen die Zaunpfähle:
    Tok —
tok-tak-tok — tok — tak.
    War
das die Antwort auf seine Zweifel?
    Er
war überzeugt davon. Eine große Zuversicht überkam ihn, er spürte es. Grischa
und Sascha? Mit einemmal wußte er, daß er sie nicht zu fürchten brauchte: sie
nicht und alle Feuerbrände der Welt nicht.
    »Ich
bleibe hier oben liegen«, nahm er sich vor. »Denn nun weiß ich, daß alles zu
einem guten Ende kommt .«
    Damit
kehrte er sich zur Wand und schlief ruhig ein.
     
    A m
Morgen darauf fuhren Grischa und Sascha ins Holz, als sei es ein Tag wie jeder
andere, während Wassili Grigorewitsch auf dem Hof zurückblieb. Das Herz war ihm schwer. Was er an diesem Morgen auch unternahm, ob er
zum Brunnen um Wasser ging, nach den Bienen sah oder die Kühe fütterte: Jeden
Augenblick mußte er daran denken, was Grischa und Sascha beschlossen hatten.
    »Wie
das nur enden soll ?« fragte er sich bekümmert. »Wie
das nur alles enden soll? Wenn wenigstens Akulina da wäre! Die wüßte vielleicht
einen Rat .«
    Gegen
Mittag hörte Wassili Grigorewitsch jemand mit einem Stecken ans Hoftor pochen.
Als er das Hoftor öffnete, stand draußen ein
    Blinder:
ein hochgewachsener alter Mann, schlohweiß der Bart und schlohweiß das lange,
offene Haar. Er trug einen Pilgermantel aus grauem Tuch und stützte sich auf einen
langen dürren Wanderstecken. Wassili Grigorewitsch sah auf den ersten Blick,
daß der Blinde ein frommer Mann war, wenn nicht ein Heiliger.
    »Sei
mir willkommen«, sagte er und verneigte sich. »Ist es dir recht, so will ich
dich in mein Haus führen und bewirten .«
    »Ich
danke dir, Bauer«, sagte der blinde Mann. »Wenn’s dir nichts ausmacht, will ich
mich lieber bei deinen Bienenstöcken hinter dem Haus in die Sonne setzen. Und
was das Bewirten angeht, so bring mir ein Stück Brot und ein wenig Salz und
einen Trunk Wasser aus deinem Brunnen, mehr brauche ich nicht .«
    »Deine
Wünsche, Fremder, sind meine Wünsche .« Der Bauer
verneigte sich abermals.
    Er
führte den Blinden hinter das Haus zu den Bienenstöcken, dort ließ sich der
Gast auf dem sonnenbeschienenen Rasen nieder. Dann holte Wassili Grigorewitsch
Brot und Salz aus dem Haus und einen Krug Wasser aus seinem Brunnen.
    Als
der Blinde daranging, das Brot zu brechen, hörten sie ferne Axtschläge, die der
Wind aus den Wäldern zu ihnen herübertrug. Der Fremde hob lauschend den Kopf,
und der Bauer Wassili Grigorewitsch sagte:
    »Das
sind meine beiden Söhne Grischa und Sascha. Sie sind in den Wald gefahren, um
Holz zu schlagen .«
    »Fleißige
Söhne ?« fragte der Blinde.
    »Fleißige
Söhne«, sagte Wassili Grigorewitsch.
    Der
Blinde wandte sich in die Richtung, aus der die Axtschläge klangen, und hob die
Hand.
    »Gott
segne sie alle beide«, sprach er. »Fleiß und Mühe zieren den Mann. Wer bei der
Arbeit Schweiß vergießt, wird seinen Lohn finden hier und dort .«
    Hierauf
brach er das Brot, bestreute es mit dem Salz und aß davon. Dann bat er Wassili
Grigorewitsch um den Wasserkrug.
    Als
er ihn aber in Händen hielt und zum Mund führen wollte, hörten sie aus dem
offenen Fenster der Wohnstube lautes Schnarchen. Davon begannen die Bienen
erschreckt um die Körbe zu schwirren, und in der Krone der alten Linde, die
hinter dem Haus stand, erhob sich ein großes Rauschen.
    Da
setzte der blinde Mann den Krug wieder ab und fragte:
    »Wer
schnarcht da am hellen Mittag so laut, daß die Bäume zu rauschen anheben ?«
    »Das
ist der faule Wanja, wie er im Dorf genannt wird, mein dritter und jüngster
Sohn. Sechs Jahre ist es nun her, daß er auf dem Backofen liegt und faulenzt.
Er spricht nicht, er steigt nicht herunter. Wenn er nicht schläft, kaut er
Sonnenblumenkerne; und wenn er nicht gerade Sonnenblumenkerne kaut, schläft er.
Es ist schlimm mit ihm, und ich fürchte, daß es ein böses Ende nimmt .«
    »Du
hast Sorgen mit deinem Jüngsten, Wassili Grigorewitsch ?«
    »Grischa
und Sascha wollen ihm heute abend das Haus überm Kopf anzünden.
Sie meinen, dies sei das einzige Mittel, um ihn vom Ofen herunterzubringen .«
    »Und
Wanja?«
    »Ich
habe mit ihm gesprochen — er hört nicht auf mich. Es scheint, daß er lieber
verbrennen will, als vom Ofen herabzusteigen. Weiß der Himmel, was mit dem Jungen
geschehen ist, ich begreife es nicht .«
    »Du
sollst es erfahren, Wassili Grigorewitsch !«
    Der
Blinde legte dem Bauern die linke Hand auf den Arm. Mit der Rechten deutete er
in die
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