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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Köhlmeier
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Erde. – Darin besteht übrigens der ganze Trick. Mehr ist nicht dahinter. Probieren Sie es aus! Es funktioniert immer.
    Dann sagte ich: »Es war einmal ein Hund und ein Spatz, die waren Freunde. Da kam ein Fuhrwerk, und der Fuhrmann sagte zum Hund, ich fahre über dich drüber, wenn du nicht zur Seite gehst. Der Spatz sagte zum Fuhrmann: Tu’s nicht, du wirst es nicht überleben. Aber der Fuhrmann fuhr über den Hund, und der Hund war tot. Da setzte sich der Spatz zwischen die Ohren des einen Pferdes und sagte: Du wirst es nicht überleben, du wirst es nicht überleben. Der Fuhrmann schlug mit dem Stecken nach dem Spatz und traf das Pferd, und das Pferd war tot. Da setzte sich der Spatz zwischen die Ohren des zweiten Pferdes und sagte: Du wirst es nicht überleben, Fuhrmann, du wirst es nicht überleben. Und der Fuhrmann schlug mit dem Stecken auch sein zweites Pferd tot und musste nun zu Fuß nach Hause gehen. Zu Hause schloss er Türen und Fenster, aber der Spatz hackte mit seinem Schnabel gegen die Scheibe und sagte: Du wirst es nicht überleben. Da nahm der Fuhrmann das Beil und schlug die Scheibe ein, und der Spatz flatterte herein und sagte seinen Spruch, und der Fuhrmann schlug um sich, bis das Haus in Trümmern lag, aber schließlich erwischte er den Spatz, steckte ihn in den Mund und schluckte ihn hinunter. Der Spatz aber flatterte durch den Hals hinauf und schaute aus dem Mund des Fuhrmanns und sagte: Du wirst es nicht überleben, Fuhrmann. Da gab der Fuhrmann das Beil seiner Frau und schrie: Erschlag ihn! Die Frau holte aus und spaltete dem Mann den Schädel. Der Spatz flog davon und sang: Du hast es nicht überlebt, Fuhrmann, du hast es nicht überlebt.«
    Die Geschichte hatte ich aus Dortchens Märchenbuch, es war dort eine unserer Lieblingsgeschichten, und natürlich hatten wir zum Spatz gehalten, mein Knuddele und ich, gegen den Fuhrmann.
    Eine weitere Sitzung bei Kurt Hager zu Hause fand nicht statt und auch nicht anderswo.
     
    In den Nächten schlief ich schlecht, das gebe ich zu. Wenn ich sage, ich gebe es zu, meine ich, es gelang mir in diesem Punkt nicht, mich zu belügen. Ich träumte nicht, aber Phantasien und Erinnerungen kamen zu mir, wenn ich wach lag, und so traute ich mich auch in der Dunkelheit nicht, die Augen zu schließen. Ich dachte, ähnlich muss sich Janna gefühlt haben, als sie auf ihrem Entzug war: eingesperrt und zugleich zum Laufen angetrieben. Und wusste doch nicht, was ihr noch bevorstand, was uns noch bevorstand. Als wir nach der vergeblichen Suche nach dem wahren Volk der Tarahumaras, wie es der Franzose in seinem Buch beschrieben hatte, im Winter zu Fuß über die Berge der Sierra zum dritten Mal in die Stadt Creel zurückkehren würden, erschöpft, nass und klamm gefroren, ausgehungert und der letzten Illusion beraubt, nachdem Janna einem dänischen Touristenpärchen einen Schuss abgebettelt hatte und gar nicht mehr versuchte, mich anzulügen, würde sie sagen, jetzt habe sie genug vom Laufen im Käfig. Jetzt habe ich genug vom Laufen im Käfig. Die Nadel war verdreckt gewesen oder das Gift war verdreckt gewesen, am Mittag bekam sie Fieber, aber der Arzt wollte sie nicht aufnehmen. Wenn er sich auch noch um die Touristen kümmern soll, schrie er mich an, nachdem ich eine Stunde lang an seine Tür gehämmert hatte, müsse er zehn weitere Ärzte anstellen und trotzdem Tag und Nacht arbeiten; warum denn alle Idioten der Welt so verrückt danach seien, ausgerechnet hier in der Barranca del Cobre an ihren Drogen zu sterben. Was haben wir euch getan, wimmerte er, als ob er der Patient wäre und nicht Janna. Er bat uns dann doch herein, aber nur in den Flur, nicht in die Ordination. Nur, um uns aufzuwärmen. Ich legte die Hände auf den Ofen. Er konnte nichts tun. Er wunderte sich, dass wir so alt waren. Normalerweise sei seine internationale Kundschaft zwischen zwanzig und dreißig. Wir zogen wieder ab, und weil wir kein Geld mehr hatten für ein Hotel, stiegen wir auf den Berg über der Bahnlinie, dort kannten wir eine Hütte, in die verkrochen wir uns, ich drückte Janna an mich und rieb ihre Schultern und ihre Oberarme. Ich versuchte, ein Feuer zu machen, aber es gelang mir nicht, und dann hatte ich keine Streichhölzer mehr … – Wenn ich bei Elsbeth schlief, kuschelte ich mich in ihren Rücken. Sie rekelte sich, sagte etwas Nettes, drückte mir ihren Hintern entgegen und half mir, in sie einzudringen, und schlief wieder ein.
    Von den Meinen fragte nur Hagen Bertuleit,
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