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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
Autoren: Edgar Wolfrum
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anderen Staaten der Welt hat die Bundesrepublik bisher wenige Regierungschefs gehabt, von 1949 bis 2009 nämlich nur acht, in Italien waren es 26, in Japan 27 und selbst die USA haben in diesem Zeitraum 13 Präsidenten kommen und gehen sehen. Fünf CDU-Kanzlern stehen drei SPD-Kanzler gegenüber: Konrad Adenauers (CDU) Amtszeit reichte von 1949–63, Ludwig Erhard (CDU) regierte 1963–66, Kurt Georg Kiesinger (CDU) 1966–69, Willy Brandt (SPD) 1969–74, Helmut Schmidt (SPD) 1974–82, Helmut Kohl (CDU) 1982–98 – und damit länger als je ein deutscher Kanzler seit 1871 –, Gerhard Schröder (SPD) 1998–2005, und seither amtiert Angela Merkel (CDU). Den Deutschen war insgesamt Glück beschieden mit ihren Kanzlern – dies bereits ist viel Wert.
    In der Rubrik «Die größten Deutschen» rangiert Gründungskanzler Konrad Adenauer fast immer weit vorne. Auch die meisten Historiker halten ihn für den größten Kanzler und stellen ihm, mit einigemAbstand, Willy Brandt zur Seite. Dies ist nicht nur eine Art ausgleichende Gerechtigkeit zwischen den beiden Volksparteien CDU/CSU und SPD, die bisher immer den Kanzler bzw. die Kanzlerin stellten, sondern es sprechen gute Gründe für diese Wahl. Adenauer, der «Fuchs», war mit allen politischen Wassern gewaschen, was der politische Gegner das eine um das andere Mal erfahren musste. Zimperlich war er gewiss nicht. Aber er gab den Deutschen wieder Vertrauen und er beruhigte sie nach der aufwühlenden Ideologisierung des Dritten Reiches. Der bei Amtsantritt 73-jährige Patriarch redete mit einfachen Worten und teilte die Welt in schlichter, aber effektiver Weise in Gut und Böse ein. Die klaren Fronten im Kalten Krieg kamen ihm dabei entgegen; so stabilisierte er die Bundesrepublik nach innen und verankerte sie außenpolitisch im Westen.
    Brandt war bei seinem Amtsantritt zwanzig Jahre jünger als Adenauer, er verkörperte geradezu die Republik im Wandel und Aufbruch und versprach besonders der jüngeren, unruhigen Generation, was diese wollte: Reformen nach innen – auch Veränderungen, Utopien, Visionen – und Friedenspolitik nach außen, diese in Gestalt der Neuen Ostpolitik. Stärker als je davor oder danach kam mit Brandt die Moral ins Feld der Politik. Mit Adenauer und Brandt lassen sich die beiden zusammengehörenden Seiten der «alten» Bundesrepublik gut modellieren, dies verleiht diesem Kanzlerpaar seinen Charme: Erst mit Westintegration und Ostpolitik zusammen verfügte die Republik über ihre außenpolitische Staatsräson, erst mit Bewahrung und Erneuerung, mit Stabilisierung und Veränderung entstand kluge Politik im Inneren.
    Durch Vernunft und Verantwortung sticht Helmut Schmidt heraus; ihm kam die Aufgabe zu, die Bundesrepublik in ihren schwersten Zeiten zu regieren. Er lotste die Republik meisterhaft durch die fast lebensgefährlichen Strudel der Weltwirtschaftskrisen in den 1970er Jahren und behielt einen kühlen Kopf bei der größten Herausforderung, der sich die bundesdeutsche Demokratie zu erwehren hatte – dem mörderischen Terrorismus der RAF. Wenn man fragt, wer mit den schwierigsten Pflichten konfrontiert war und danach die historische «Größe» der Kanzler bestimmt, wird man Schmidt weit nach vorne rücken müssen.
    Kein Kanzler ist am Anfang so unterschätzt worden wie Helmut Kohl, der Patriot und Europäer. Wie kein anderer hielt er die Zügel der Macht durch ein geschickt geknüpftes Netzwerk politischerFreunde – die «Kohlianer» – in den Händen und überstand jede Fronde gegen ihn, bevor seine großen Verdienste um die deutsche Wiedervereinigung 1989/90 sämtliche Kritiker fürs Erste verstummen ließen. Wäre Kohl allein der «Kanzler der Einheit» und hätte es die innenpolitischen Fehler und die große CDU-Spendenaffäre nicht gegeben, würde sein Stern heller leuchten als die Sterne der anderen Kanzler. Gerhard Schröder, Kanzler in der ersten rot-grünen Koalition, überraschte immer wieder durch geschickte Schachzüge; ihn verbanden mit seinem Vorgänger der Machtinstinkt sowie die Lust am Regieren. Umso erstaunlicher das Ende: Schröder avancierte zum unerschütterlichen Reformstaatsmann, der mit der «Agenda 2010» den notwendigen Sozialstaatsumbau einleitete und für dieses höhere Wohl seine eigene Macht opferte. Angela Merkel scheint dagegen eine gelehrige Schülerin Helmut Kohls zu sein: Die «Mrs. Cool», wie sie eine britische Zeitung nannte, moderiert und taktiert und trifft am Ende meist Entscheidungen, die alle
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